Der Herzog und seine geliebte Feindin
sie an einem Wagen vorbeigingen, blinzelte Robert erstaunt. Er konnte unmöglich … Rasch drehte er sich um und ging zurück.
„He!“, rief Sebastian. „Das ist die falsche Richtung.“
Robert winkte ab. Er meinte etwas sehr Seltsames gesehen zu haben, als er vorübergegangen war – dass die Frau, die er aus dem Augenwinkel gesehen hatte, niemand anderer war als Miss Pursling.
Aber das war unmöglich.
Als er an das Fenster kam, sah er jedoch, dass seine Augen ihn nicht getrogen hatten. Die Frau hob ihren Kopf von der Betrachtung des Buches auf ihrem Schoß und blickte auf der anderen Seite aus dem Fenster. Die Sonne fiel durch den Staub auf den Scheiben, beleuchtete die Nase, die er so gut kannte – und die Lippen darunter.
Miss Pursling saß in dem Abteil. Sie würde dort bis nach Leicester sitzen – mehrere Stunden lang, ohne jemanden, mit dem sie reden konnte. Niemand, es sei denn …
Violet war aus dem Wartesaal gekommen und gab den Gepäckträgern Anweisungen.
Robert klopfte ihr auf die Schulter.
„Violet“, sagte er, „dürfte ich mir deine Zofe leihen?“
Violets Augen wurden vor Argwohn ganz schmal. „Meine Zofe leihen? Nein, du kannst dir Matilda nicht ausleihen. Wofür brauchst du sie überhaupt?“
„Ich …“ Er versuchte nicht in Miss Purslings Richtung zu sehen. „Äh.“
„Es geht um eine Frau“, warf Sebastian ein. „Du kannst es an seiner Miene ablesen. All die nervöse Vorfreude – es geht um eine Frau.“
„Ach ja?“ Violet blickte sich unauffällig um. „Ist es … Nein. Sag mir nicht, wer. Ich will es erraten.“
Violet war in der Lage, sich umzusehen, ohne dass es groß auffiel, aber Sebastian reckte den Hals, schaute mit übertriebenen Bewegungen von einer zur anderen Seite.
Robert verzog das Gesicht. „Hört auf. Bitte hört auf. Müsst ihr so offensichtlich sein?“
„Ich wusste, es ist eine Frau!“, erklärte Sebastian triumphierend. „Wir bringen ihn in Verlegenheit – es muss um eine Frau gehen.“
Vor einem Moment erst hatte Robert überlegt, wie angenehm es war, unter Leuten zu sein, die ihn verstanden. Das war vorbei. Seine Wangen röteten sich. „Wenn ich zugebe, dass es eine Frau ist, werdet ihr dann aufhören, so zu starren und wenigstens so tun, als wäret ihr normale Leute?“
Violet versteifte sich. „Ich begreife immer noch nicht, was eine Frau damit zu tun hat, dass du Matilda brauchst.“
„Sie ist allein in einem der Abteile zweiter Klasse“, räumte Robert ein. „Ich möchte mich gerne zu ihr setzen.“
Diese Erklärung wurde mit erstarrtem Schweigen aufgenommen. Sebastian sah Violet an. Violet sah Sebastian an. Es fehlte nur, dass sie anklagend mit den Augenbrauen zuckten.
„ Du bist an einer Frau interessiert, die zweiter Klasse fährt“, bemerkte Sebastian schließlich.
Violet sandte ihm einen nahezu identischen Blick. „Du interessierst dich für eine Frau, die zweiter Klasse fährt, und dein Interesse ist dergestalt, dass du dich um die Auswirkung auf ihren Ruf kümmerst.“
Sebastian rieb sich die Hände. „Oh“, sagte er schadenfroh. „Deine Mutter wird begeistert sein.“
„Ich hasse es, wenn ihr beide das tut“, beschwerte Robert sich, was gelogen war. Gewöhnlich liebte er es, wenn die beiden so sprachen, Violet ihre Gedanken auf Sebastians türmte, bis die ganze Unterhaltung ein unförmiger absurder Haufen war. Jetzt hingegen kam ihm das alles sehr ungelegen. Er musste sie loswerden, bevor sie bleibenden Schaden anrichteten.
Violet schaute auf. „Robert, es tut mir leid. Du kannst dir meine Zofe nicht leihen.“
„Aber …“
„Aber“, sagte sie und rieb ihre Hände aneinander. „Ich begleite dich liebend gerne selbst.“
Robert schluckte. Er versuchte sich vorzustellen, eine Unterhaltung mit Miss Pursling zu führen, während die Countess of Cambury alles interessiert verfolgte.
„Zweite Klasse“, sagte Sebastian. „Ich bin noch nie zweiter Klasse gefahren. Das wird ein Riesenspaß.“
Robert hustete heftig in seine Hand. „Nein, auf keinen Fall ihr beide. Keinesfalls beide.“
„Du brauchst aber uns beide“, wandte Sebastian ein. „Es gibt vier Sitze. Wenn du Violet allein mitnimmst, könnte noch jemand anderes zusteigen. Es sind nun einmal vier Plätze. Sicherlich willst du nicht riskieren, dass es am Ende keine Gelegenheit für eine Unterhaltung gibt.“
„Aber …“
„Du kennst mich doch“, sagte Sebastian. „Ich bin die Diskretion in Person.“
„Nein, bist du nicht. Du
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