Der Herzog und seine geliebte Feindin
anderen Sitz und folgte der Frau dann.
Sie würde also das Abteil nicht für sich allein haben, sondern es mit Mitreisenden teilen – und zwar mit äußerst merkwürdigen.
Wieder wurde die Tür geöffnet. Sie schaute auf, erwartete die seltsamen Leute wieder zu sehen, aber nein. Ihr Herz sackte nach unten, ihre Hände fühlten sich mit einem Mal glühend heiß an.
„Miss Pursling“, sagte der Duke of Clermont. „Wie wunderbar, Sie zu sehen.”
Das letzte Mal, als sie ihn gesehen hatte, hatte er ihr gesagt, sie solle nach oben blicken. Sie hatte es tun wollen. Und dann … Dann hatte sie entdeckt, dass ihr noch weniger Möglichkeiten offenstanden, als sie angenommen hatte. Wenn sie ihn ansah, wollte sie das alles vergessen. Sie hatte gehofft, ihre Sehnsucht ein für alle Mal aus ihren Gedanken verbannt zu haben, aber wenn sie ihn jetzt so sah, kehrte die Erinnerung ungebeten zurück, wartete auf der Oberfläche ihrer Haut, lebte mit jedem Atem, der über ihre Lippen kam, wieder auf.
Ich begehre Sie.
Diese Worte hatten in ihrer Phantasie Wurzeln geschlagen, und auch wenn sie rein verstandesmäßig wusste, dass zwischen ihnen nie etwas geschehen war, schien ihre Haut nicht überzeugt. Sie kribbelte überall, so sehr war sie sich seiner Nähe bewusst. Sie senkte den Blick.
„Genießen Sie Ihre Reise?“ Er hob eine Reisetasche auf die Kofferablage oben und nahm dann ihr gegenüber Platz.
„Ja“, antwortete sie mit einer gewissen Steifheit. „Ich habe einen Papierhersteller in London besucht, damit ich herausfinde, wo Sie Ihr Material beziehen.“
Sie schleuderte ihm das entgegen, damit er wusste, wo sie standen – so weit auseinander, wie sie sie nur schieben konnte.
Seine Nase zuckte. „Ein Bericht über Ihre Fortschritte“, erklärte er fröhlich. „Ich sehe, dass mein Ansehen bei Ihnen steigt. Wie schön.“ Er lächelte sie an.
In ihrem Leben war kein Platz für ihn und sein Verlangen. Nicht der geringste. Glücklicherweise öffnete sich die Tür wieder, um die Dame mit dem beeindruckenden Reisekleid einzulassen.
„Robert“, sagte sie. „Wir können noch nicht abfahren. Sie haben Herman verlegt, und der Schaffner droht, auch ohne ihn abzufahren. Was macht es schon, wenn der Zug verspätet ist? Du musst sie aufhalten, weil meine Kriegslist nicht viel länger wirken wird.“
„Deine Kriegslist?“ Der Duke of Clermont setzte sich gerader hin, und seine Stimme wurde tiefer. „Was hast du getan?“
Die Frau hielt eine silberbeschlagene Pfeife hoch. „Die gehört dem Schaffner“, verkündete sie schlicht.
Der Herzog starrte sie an, dann stöhnte er und rieb sich die Stirn. „Oh Gott.“ Er berührte seinen Hut mit zwei Fingern und wandte sich an Minnie. „Warten Sie, ich bin gleich zurück.”
Die Tür öffnete und schloss sich erneut, und sie war wieder allein. Minnie zog kurz in Erwägung, das Abteil zu wechseln. Aber wenn sie das tat, würde er sie wieder finden. Außerdem hatte der Schaffner ihre Fahrkarte schon auf diesen Platz entwertet, und sie war sich nicht sicher, ob er sich an sie erinnern würde, wenn sie in ein anderes Abteil umzog.
Die nächste Versuchung ereilte sie einen Moment später. Er hatte seine Tasche auf den Platz neben sie geworfen. Nur eine einzelne Metallschnalle trennte sie von seinen Unterlagen. Seinen möglicherweise belastenden Unterlagen.
Er musste die Flugblätter von irgendwo importieren. Vielleicht hatte er eine Rechnung oder eine Quittung in der Tasche.
Aber es wäre ein schrecklicher Vertrauensbruch.
Und was sollte sie tun, selbst wenn sie wirklich etwas fand? Sein Wort gegen ihres würde trotzdem zu ihrem Ruin führen. So wog sie im Geiste für und wider ab, bis die Zeit, die unterdessen vergangen war, ihr die Entscheidung abnahm.
Die Tür zum Abteil ging wieder auf. Es war der Herzog. Er schaute zu seiner Tasche oben und wieder zu ihr, schüttelte den Kopf. „Also wirklich“, sagte er. „Sie haben nicht nachgesehen?“
„Wirklich.“ Minnie biss die Zähne zusammen. „Ich habe nicht nachgesehen.“
„Bin ich etwa nicht Ihr Feind? Befinden wir beide uns nicht im Krieg?“
„Ich weiß nicht, was Sie sind. Ich jedenfalls weiß nicht, was wir tun.“ Sie zog die Nase kraus. „Aber ich hätte es zudem furchtbar schwer, die Herkunft zu beweisen. Selbst wenn ich einen Stapel Flugblätter in Ihrer Reisetasche gefunden hätte, was sollte ich damit anfangen? Sie an mich nehmen und dem Magistrat zeigen? Ich hätte keinen Beweis, dass sie
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