Der Herzog Von Köln
ich dem Jungen die Augen aus dem Schädel steche, wie Pflaumen aus einem Glas?«
D’Averc blickte sich in der ungewöhnlichen Halle um, betrachtete die sich ständig veränderten Lichtmuster, die eigenartigen Wände und die glühenden Schatten, die nun hoch über ihnen hingen und offenbar zusahen. »Es scheint mir ein Patt zu sein, Dorian«, murmelte er. »Ich glaube, die Schatten können uns nicht weiterhelfen. Vermutlich sind sie nicht in der Lage, in Angelegenheiten der Menschen einzugreifen.«
»Wenn Ihr den Jungen freigebt, wäre ich bereit, Euch nicht daran zu hindern, Dnark zu verlassen«, versprach Falkenmond.
Shenegar Trott lachte lauthals. »Oh, wirklich? Und ihr wollt vielleicht eine ganze Armee aus der Stadt vertreiben, ihr beide?«
»Wir sind nicht ohne Verbündete«, versicherte ihm Falkenmond.
»Möglich. Aber ich schlage vor, ihr legt eure Schwerter nieder und gebt mir den Weg zum Runenstab frei. Wenn ich ihn habe, könnte ihr den Jungen bekommen.«
»Lebend?«
»Lebend.«
»Wie sollen wir ausgerechnet Shenegar Trott trauen«, rief d’Averc. »Er wird das Kind umbringen und uns dann aus dem Weg schaffen. Es ist nicht üblich, dass die Lords von Granbretanien ihr Wort halten.«
»Wenn wir nur eine Garantie hätten«, flüsterte Falkenmond verzweifelt.
In diesem Augenblick hörten sie eine vertraute Stimme hinter sich und drehten sich überrascht um.
»Ihr habt gar keine Wahl, als den Jungen freizulassen, Graf Trott.« Die Stimme dröhnte aus einem schwarz-goldenen Helm.
»So ist es. Mein Bruder spricht die Wahrheit …« Von der anderen Seite der Plattform trat Orland Fank hervor, der die gewaltige Kriegsaxt auf seiner ledergeschützten Schulter trug.
»Wie seid ihr hierher gelangt?« fragte Falkenmond überrascht.
»Das gleiche könnte ich auch fragen.« Fank grinste über das ganze Gesicht. »Zumindest habt ihr jetzt Freunde, mit denen ihr euch über dieses Dilemma unterhalten könnt.
10 Der Geist des Runenstabs
Shenegar Trott kicherte erneut belustigt. »Ihr seid zwar nun zu viert, aber das ändert absolut nichts an der Situation. Ich habe tausend Mann zu meiner Verfügung. Der Junge ist in meiner Hand. Seid so gut, meine Herren, und tretet zur Seite, damit ich mir den Runenstab holen kann.«
Orland Fanks grobgeschnittenes Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen, während der Ritter in Schwarz und Gold sein Gewicht ein wenig verlagerte. Falkenmond und d’Averc blickten sie fragend an. »Ich fürchte, Ihr überseht etwas«, erwiderte Fank laut.
»Und das wäre?« erkundigte sich Trott spöttisch und kam näher.
»Ihr seid der Meinung, Ihr könntet den Jungen halten, nicht wahr?«
»Ich könnte ihn töten, ehe ihr ihn erreicht.«
»Ja – aber seid Ihr sicher, dass der Junge sich nicht selbst befreien kann?«
»Das kann er nicht.« Trott hielt das Kind am Kragen noch höher und lachte laut. »Seht ihr?«
Da hielt der Granbretanier erschrocken den Atem an. Jehamia Cohnahlias schien aus seinem Griff zu fließen und dehnte sich in einem schier endlosen Lichtstreifen über die Halle aus. Seine Züge waren noch erkennbar, doch auf unvorstellbare Weise in die Länge gezogen. Das Summen wurde zu deutlicher Musik, und der Duft nahm an Intensität zu.
Shenegar Trott tastete hastig nach der immer dünner werdenden Substanz des Kindes, aber sie war genauso wenig zu greifen wie die der glühenden Schatten, die nun über ihn pulsierten.
»Bei Huons Thronkugel – er ist nicht menschlich!« schrie Trott in hilfloser Wut. »Er ist nicht menschlich!«
»Das hat er auch nicht behauptet«, erinnerte ihn Orland Fank geduldig und blinzelte Falkenmond vergnügt zu. »Seid Ihr und Euer Freund nun zu einem guten Kampf bereit?«
»Das sind wir«, Falkenmond grinste. »Und wie wir das sind!«
Der Junge – oder was immer er auch war – streckte sich nun über ihren Köpfen aus, um den Runenstab zu berühren. Die Lichtmuster wechselten immer schneller, und mehr und mehr füllten sie die Halle, so dass alle Gesichter von huschenden Farbstreifen überzogen waren.
Orland Fank beobachtete den Jungen mit größter Aufmerksamkeit, und als das Kind offenbar vom Runenstab aufgenommen wurde, wirkte sein Gesicht betrübt.
Bald war keine Spur mehr von Jehamia Cohnahlias zu sehen. Doch der Runenstab leuchtete nun in einem glühenden Schwarz und schien ein eigenes Bewusstsein angenommen zu haben.
Falkenmond sog laut die Luft ein. »Wer war er, Orland Fank?«
Fank blinzelte. »Wer? Der Geist
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