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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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hervorholen, ver­ zichtete dann aber darauf. Im Zimmer einer Frau schickte es sich wohl nicht zu rauchen. Die Beraterin saß auf ihrer Bettkante und strich sich die zerzausten Locken aus der Stirn. Sie sah reizend aus nach dem Schlaf. Ihre üppige Brust zeichnete sich deutlich unter dem Nachthemd ab, der Halsausschnitt gab den Blick auf die Spalte zwischen den Brüsten frei. Huttunen fiel es schwer, nicht hinzustarren. »Ich hab’ jeden Tag ge­ wartet, daß Sie zur Mühle kommen. Den Garten mit dem Grünzeug hab’ ich gleich fertiggemacht, genau wie abgesprochen. Sie hätten ihn sich mal ansehen kön­ nen.«
    Sanelma Käyrämö lachte nervös.
    »Ich wollte es nächste Woche tun.«
    »Mir wurde die Zeit so lang. Außerdem sind die Samen nicht aufgegangen.«
    Die Beraterin sagte schnell, daß dies noch nicht der Fall sein könne, da sie erst vor ein paar Tagen ausgesät worden seien. Man dürfe nicht zu ungeduldig sein. Herr Huttunen könne beruhigt zu seiner Mühle zurückkeh­ ren, das Gemüse werde wachsen, wenn es an der Zeit sei.
    »Muß ich denn jetzt gleich wieder gehen?« fragte Hut­ tunen enttäuscht. Er hatte keine Lust aufzubrechen.
    »Ich komme gleich nächste Woche vorbei und schaue mir Ihre Parzelle an«, versprach die Beraterin. »Jetzt ist eine ungewöhnliche Besuchszeit, ich wohne hier zur Untermiete. Die Bäuerin ist eine strenge Frau, auch wenn sie so dick ist.«
    Huttunen unternahm einen weiteren Versuch: »Und wenn ich noch eine halbe Stunde ganz still hier
    sitze?«
    »Versuchen Sie doch zu verstehen, Herr Huttunen.« »Ich dachte bloß, ich komme vorbei. Sie haben gesagt,
    ich kann jederzeit vorsprechen, wenn es Probleme gibt.« Die Beraterin war verwirrt. Gern hätte sie den Müller
    dort neben dem Herd sitzen lassen, diesen stattlichen und seltsamen Mann, doch das schickte sich natürlich überhaupt nicht. Komisch, daß sie keine Angst hatte vor diesem sonderbaren Mann, den viele für geisteskrank hielten. Aber auf irgendeine Weise mußte sie ihn zum Gehen veranlassen, der Besuch durfte sich nicht länger hinziehen. Was würden sie unten im Haus denken, wenn der Müller weiter bliebe.
    »Wir können uns während meiner Dienstzeit treffen… meinetwegen im Laden oder im Café, ganz beiläufig, oder irgendwo im Wald… Aber nicht hier um diese Zeit.«
    »Dann muß ich jetzt wohl gehen.«
    Huttunen seufzte schwer, setzte die Mütze auf und gab der Beraterin zum Abschied die Hand. Sanelma Käyrämö war sicher, daß der arme Kerl sie liebte, weil er im Augenblick des Abschieds so traurig dreinschaute.
    »Leben Sie wohl, Huttunen. Wir treffen uns bald unter besseren Umständen.«
    Huttunens Traurigkeit schmolz ein wenig. Er packte mit festem Griff die Klinke und verbeugte sich höflich. Dann stieß er schwungvoll die Tür auf.
    Die Tür klatschte gegen etwas Großes und Weiches. Auf der Treppe ertönten wildes Geheul und schweres Gepolter. Die Bäuerin hatte sich bis zur Mansarde hochgearbeitet, um das Gespräch zwischen dem Müller und der Klubberaterin zu belauschen. Als die Tür auf­ schwang, schlug sie ihr mit voller Wucht ans Ohr und schleuderte sie auf die steile Treppe. Zum Glück war die Bäuerin rund wie ein Faß – sie rollte weich die Stufen hinunter, und unten nahm sie der Bauer in Empfang. Aus ihrem Ohr floß Blut, und sie kreischte, daß die Glasveranda klirrte.
    Der Knecht Launola stürzte herbei. Huttunen kam die Treppe herunter, die Beraterin folgte ihm. Die Bäuerin lag auf dem Fußboden und jammerte. Siponen starrte Huttunen wütend an und schnauzte:
    »Es ist eine verdammte Schweinerei, mitten in der Nacht zu friedlichen Leuten ins Haus zu kommen und die Bäuerin totzuschlagen!«
    »Die ist noch nicht tot, wir müssen sie ins Bett tra­ gen«, meinte der Knecht.
    Mit vereinten Kräften schleppten sie die Bäuerin in die Schlafkammer und hoben sie ins Bett. Als die Arbeit getan war, verließ Huttunen das Haus. Er sprang auf sein Fahrrad und fuhr schnell vom Hof. Der Bauer trat hinaus und rief dem Müller nach:
    »Falls meine Alte gelähmt ist, zahlst du mir die Pflege, Kunnari! Ich gehe damit bis vors Gericht!«
    Siponens Hund bellte über das Ereignis bis in den Morgen.
    6
    Eine Woche lang starrte Huttunen auf seinen öden Garten und wagte sich nicht ins Dorf. Dann hatte die traurige Einsamkeit plötzlich ein Ende. Die Klubberate­ rin kam fröhlich angeradelt, begrüßte ihn freundlich und redete sofort mit ihm über den Garten. Vom Salat waren bereits die ersten Triebe

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