Der heulende Müller
von dem Sprengstoff reden sie noch immer, und dann dieses Heulen… Stimmt es, daß du im Winter heulst? «
Huttunen schämte sich. Er war gezwungen, auch das zuzugeben.
»Es ist hin und wieder vorgekommen… aber es war nicht böse gemeint.«
»Und dann heißt es noch, du ahmst Tiere nach… und verspottest Leute aus dem Dorf, Siponen und Viittavaa ra und den Lehrer und den Kaufmann… Ist das eben falls wahr?«
Huttunen erklärte, er gerate einfach manchmal in solche Stimmungen und verspüre den Drang, etwas Besonderes zu tun.
»Es ist wie ein plötzliches Rucken im Kopf. Aber ich bin nicht eigentlich gefährlich.«
Die Beraterin schwieg lange. Sie saß traurig da und sah den kaffeetrinkenden Müller gerührt an.
»Ach, wenn ich dir doch helfen könnte«, sagte sie schließlich und nahm Huttunens Hand in die ihre. »Ich finde es furchtbar, wenn ein Mensch allein vor sich hin heult.«
Huttunen hüstelte und errötete. Die Beraterin bedankte sich für den Kaffee und rüstete zum Aufbruch. Huttunen wurde unruhig:
»Warum willst du denn schon gehen, gefällt es dir hier nicht?«
»Wenn die Leute erfahren, daß ich mich länger aufhal te, verliere ich meine Stellung. Ich muß jetzt wirklich los.«
»Wenn ich mit dem Heulen aufhöre, kommst du dann wieder?« bat Huttunen und schlug dann schnell vor, wenn sie nicht wage, ihn in der Mühle aufzusuchen, dann könnten sie einen anderen Treffpunkt wählen, zum Beispiel im Wald. Er versprach, eine passende Stelle zu suchen, an der sie sich hin und wieder treffen könnten, ohne gestört zu werden.
Die Beraterin meinte zweifelnd:
»Hoffentlich ist der Ort dann wirklich sicher. Und zu weit entfernt darf er auch nicht sein, damit ich mich nicht verirre. In die Mühle kann ich nur zweimal im Monat kommen, so wie in die anderen Klubgärten. Wenn ich öfter komme, gibt es gleich Ermahnungen. Der Landwirtschaftsklubverband verliert womöglich die Geduld.«
Huttunen umarmte die Beraterin. Sie wehrte sich nicht. Er flüsterte ihr ins Ohr, er sei keineswegs so verrückt, daß man nicht mit ihm auskomme. Dann fiel ihm ein passender Treffpunkt ein: Der Weg zum Kirch dorf überquere einen kleinen Bach, diesem solle sie am Nordufer knapp einen Kilometer folgen. Dann mache der Bach eine scharfe Biegung, gabele sich und umfließe in zwei Armen eine mit Erlen dicht bewachsene Insel. Er wisse, daß nie jemand diese Erleninsel betrete. Es sei ein schöner und sicherer Ort und außerdem nahe ge-nug.
»Ich fälle ein paar Baumstämme und lege sie als Brücke über den Bach, damit du ohne Gummistiefel rübergehen kannst.«
Die Beraterin versprach, am nächsten Sonntag auf die Insel zu kommen, unter der Bedingung, daß Huttunen sich von nun an nicht mehr in Schwierigkeiten bringe.
Bereitwillig versprach er, sich anständig zu beneh men.
»Ich bleibe ganz still hier in Suukoski und heule nicht, auch wenn ich noch so große Lust dazu habe.«
Sie forderte ihn auf, jeden Abend den Garten zu gie ßen, denn der Sommer sei sonnig und trocken. Dann fuhr sie ab. Glücklich blieb Huttunen in seiner Mühle zurück, betrachtete die grauen Wände und fand, daß ihnen neue Farbe guttäte. Er beschloß, seine Mühle rot zu streichen.
7
Huttunen kochte roten Ocker auf dem Hof vor der Müh le. Er rührte in dem eingemauerten Hundertliterkessel und hielt das Feuer bei gleichmäßiger Hitze. Er war zufrieden und voller Energie, zugleich auch erwartungs voll – übermorgen war Sonntag, und er würde die Klub beraterin auf der Erleninsel treffen.
Er hatte rechtzeitig aus zwei Baumstämmen eine Brücke über den Bach gebaut. Im Gebüsch hatte er ein Zelt aus Laken errichtet, davor einen kleinen Platz gero det, gleichsam als Hof, und dann noch die harte Erde unter dem Zelt mit Heu bedeckt. In der Kühle des Zeltes würde keine Mücke die Beraterin stören. Frauen werden nervös, wenn sie von Mücken angefallen werden. Be stimmt freut sich Sanelma über die Vorbereitungen, dachte Huttunen glücklich.
Der rote Ocker, eingerührt in ein braunes Roggen mehlgemisch, ergab ein schönes Dunkelrot. Die Farbe würde schon am Abend fertig sein, und bis zum Sonntag hätte das Mühlengebäude einen neuen Anstrich. Die Arbeit wurde nicht einmal teuer: das Mehl hatte Huttu nen umsonst, nur den roten Ocker, das Vitriol, hatte er kaufen müssen.
Bauer Viittavaara vom Nachbargehöft kam mit dem Pferdefuhrwerk auf den Hof. Auf dem Wagen lagen fünf Kornsäcke, und obenauf saß der stämmige
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