Der heulende Müller
Portimo ein Schreiben des Doktors. Es war Huttunens Einweisung in die Ouluer Nervenkli nik. Außerdem übergab er ihm die Begleitpapiere für die Bahnfahrt. Portimo nahm die Papiere entgegen. Er konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen:
»Auch ein Kommissar sollte sein Wort halten. Es ist verkehrt, den Kunnari wieder nach Oulu zu schaffen.«
»Ruhe! Versprechen an Geistesgestörte sind für die Behörden nicht bindend. Halte du deine Klappe, Porti mo, und mach deine Arbeit. Der Zug fährt um elf Uhr, vorher kriegt Huttunen was zu essen. Ihr reist im Wagen des Kondukteurs, und du, Portimo, bist für diesen Mann verantwortlich.«
Ervinen sah Huttunen spöttisch an. »Das war ein langer und lustiger Sommer, Huttunen.
Aber jetzt ist er vorbei. Als Arzt kann ich schwören, daß du niemals mehr Gelegenheit haben wirst, in diesem Sprengel deinen Schabernack zu treiben. Auf der Ein weisung steht, daß du unheilbar geisteskrank bist, bis zu deinem Tod. Mit dem Geheul ist ein für allemal Schluß, Huttunen.«
Plötzlich begann Huttunen zu knurren und die Zähne zu zeigen. Er senkte den Kopf und stierte die Männer in der Kanzlei so grimmig an, daß die Bauern und der Arzt zurückwichen und der Kommissar die Pistole aus der Schreibtischschublade zog. Portimo redete Huttunen gut zu und konnte ihn mit Mühe besänftigen. Doch noch lange knurrte der Müller wie ein in die Enge getriebener Wolf. Seine Augen glühten vor unterdrückter Wut.
Die beiden wurden mit dem Auto zu Portimos Haus gefahren, wo Huttunen seine letzte Mahlzeit erhielt. Portimos Frau hatte Fisch gebraten. Dazu servierte sie kühle Buttermilch und frisches Fladenbrot sowie richti ge Butter. Zum Nachtisch gab es Eierkuchen. Huttunen und Portimo aßen nebeneinander, der eine mit der linken, der andere mit der rechten Hand. Der Kommis sar verfolgte ungehalten den Fortgang der Mahlzeit.
»Nun macht schon!« Und an die Hausfrau gewandt: »Wieso backen Sie für einen geisteskranken Häftling
extra Eierkuchen, die Mühe hätten Sie sich sparen können. Wir müssen den Zug erreichen. Diese Ge schichte muß so schnell wie möglich von der Tagesord nung.«
Die Klubberaterin Sanelma Käyrämö kam herein. Sie hatte die ganze Nacht geweint. Wortlos trat sie zu Hut tunen und legte ihm die Hand auf die Schulter. An den Kommissar gewandt, sagte sie mit brechender Stimme:
»Und ich Verrückte habe einem Verräter geglaubt.« Der Kommissar räusperte sich amtlich und verlegen.
Er drängte zum Aufbruch. Portimo und Huttunen erho ben sich. Huttunen drückte mit seiner Linken Sanelmas Hand, sah ihr in die Augen und ging hinter Portimo aus dem Haus.
Draußen verabschiedete sich Portimo von seiner Frau. Dann führte er Huttunen zum Hofgebäude und pfiff nach seinem Hund. Der Bärenhund mit dem fahlgrauen Fell kam winselnd zu seinem Herrn gerannt, sprang an ihm hoch und leckte ihm das Gesicht. Er leckte auch Huttunens Gesicht, da dieser sich wegen der Handschel len ebenfalls hinunterbeugen mußte.
»Herrgott, müssen die sich auch noch von ihren Kö tern verabschieden«, schnauzte der Kommissar nervös.
Portimo und Huttunen setzten sich ins Auto, die Tü ren wurden zugeknallt, und los ging es. Das Auto fuhr zur Fähre, wo schon die schnellsten Radfahrer eingetrof fen waren. Auf dem Bahnhof wartete eine dichte Men schenmenge. Der ganze Sprengel wollte zusehen, wie Huttunen auf seine letzte Reise nach Oulu geschickt wurde.
Der Kommissar erkundigte sich beim Stationsvorste her, ob der Zug pünktlich sei, und erhielt eine bejahen de Antwort.
»Und warum ist er dann nicht hier?« fauchte Jaatila. »Ganz auf die Minute kommen die Züge nie«, erwiderte
der Stationsvorsteher.
Dann fuhr der Zug ein. Die schwere Dampflok hielt. Huttunen und Portimo wurden zum Schaffnerwagen geführt, im Gleichschritt stiegen sie ein. Schon pfiff die Lokomotive, der Zug ruckte an. Huttunen stand an der offenen Tür, hinter ihm sah man die Umrisse von Wachtmeister Portimo. Der Zug rollte an der Men schenmenge vorbei. Huttunen öffnete den Mund, und ein gewaltiges Geheul drang heraus, neben dem sich das Pfeifen des Zuges wie ein klägliches Piepsen anhörte. Das Publikum erschauerte.
Der Waggon hatte die Zuschauer passiert, die Tür wurde geschlossen. Die Weichen am Ende der Rangier geleise knirschten, der Zug entfernte sich. Erst als das Rattern der Räder ganz verstummt war, zerstreute sich die Menge. Abseits von den anderen verließ Portimos Frau den
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