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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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sichtbar. Bald würden auch die Möhren aufgehen, versicherte sie ihm. Sie kassierte das Geld für die Samen, die sie bei ihrem letzten Besuch dagelassen hatte, und gab Anweisungen, wie der Boden gelockert und die Pflanzen verzogen wer­ den müßten.
    »Das A und O bei allem ist Sorgfalt«, schärfte sie ihm ein.
    Glücklich kochte Huttunen Kaffee und bot Kringel da­ zu an.
    Als hinsichtlich des Gartens alles geklärt war, brachte Sanelma Käyrämö die Rede auf den Besuch des Müllers bei ihr.
    »Eigentlich bin ich gekommen, um mit Ihnen über den Vorfall neulich morgens zu sprechen.«
    »Ich werde nicht wieder zu Ihnen kommen«, versprach Huttunen beschämt.
    Die Klubberaterin sagte, daß eigentlich auch das erste Mal schon zuviel gewesen sei. Sie erzählte, die Bäuerin Siponen liege immer noch im Bett und sei nicht bereit aufzustehen, ja, sie besorge nicht einmal mehr den Kuhstall. Siponen habe den Gemeindearzt gerufen, damit er nach seiner Frau sehe.
    »Doktor Ervinen hat sie von allen Seiten untersucht. Mehrere Leute mußten helfen, sie umzudrehen, weil sie so dick ist. Er hat angeordnet, ihr das Ohr zu waschen, und dann hat er einen Lappen reingetan. Da ist wohl
    irgendwas verletzt, weil die Türklinke sie ja genau dort getroffen hat. Der Doktor hat dann in das Ohr gerufen und gesagt, daß ihr Gehör noch vorhanden ist, auch wenn sie sich taub stellt. Er hat ihr mit einer hellen Taschenlampe ins Auge geleuchtet, von ganz nah, und plötzlich in das kranke Ohr reingeschrien. Er hat gesehen, daß sich ihre Pupille verändert hat und daß sie also eindeutig noch hört. Aber der Bauer hat es nicht geglaubt. Dann haben wir ihr alle ins Ohr gerufen und ins Auge gesehen, aber sie hat sich verstellt und getan, als ob sie nichts merkt. Siponen hat gesagt, jetzt hat seine Alte auch noch das Gehör verloren, das wird ein teurer Spaß für Kunnari.«
    Huttunen blickte die Beraterin flehentlich an, er hoffte, die schlechten Nachrichten wären damit zu Ende. Aber sie fuhr fort:
    »Doktor Ervinen war der Meinung, die Bäuerin sollte aus dem Bett aufstehen und sich an ihre Arbeit machen. Aber sie hat behauptet, ihre Glieder bewegen sich nicht. Sie hat anscheinend beschlossen, gelähmt zu sein. Sie
    hat gesagt, sie kann im ganzen Leben nie mehr aus dem Bett aufstehen. Das ist ihr fester Wille, und da konnte Ervinen gar nichts machen. Als er ging, hat er bloß noch gesagt, seinetwegen soll sie da liegen bis zum Jüngsten Tag. Der Bauer hat damit gedroht, sich einen besseren Arzt zu holen, der seiner Alten die Lähmung schriftlich gibt. Er hat gesagt, dann wird Kunnari schon blechen.«
    So sieht es also aus, dachte Huttunen unglücklich. In der ganzen Gegend war bekannt, daß die Siponen das faulste und dickste aller Weiber war. Jetzt hatte sie einen guten Grund gefunden, im Bett zu bleiben. Launo­ la, der durchtriebene Knecht des Hauses, würde in der Sache natürlich alles bezeugen, was Bauer und Bäuerin befahlen.
    Die Beraterin sagte, sie erzähle dies alles, da sie Hut­ tunen unschuldig wisse und da sie ihn möge. Sie schlug vor, daß sie sich duzen sollten.
    »Aber wir machen es nur, wenn wir unter uns sind und kein anderer zuhört«, sagte sie.
    Der Müller freute sich darüber ganz außerordentlich, und von nun an nannte die Beraterin ihn Gunnar.
    Huttunen schenkte Kaffee nach. Die Beraterin schnitt jetzt ein neues, noch heikleres Thema an.
    »Gunnar… darf ich dich etwas ganz Persönliches fra-gen… eine recht unangenehme Sache, über die im Dorf so viel geredet wird?«
    »Frag, was du willst, ich werde nicht böse.« Sie wußte nicht recht, wie sie beginnen sollte. Sie
    trank eine weitere Tasse Kaffee, bröckelte Kringel hinein, schaute aus dem Fenster, wollte bereits wieder vom Gemüsegarten anfangen, kam aber schließlich zur Sa­ che.
    »Im Dorf reden sie ganz offen darüber, daß du nicht wie die anderen bist…«
    Huttunen stimmte verlegen zu:
    »Ich weiß… Sie nennen mich einen Irren.« »Na ja… als ich gestern bei der Lehrersfrau zum Kaf­
    fee war, haben sie dort gesagt, du bist geistesgestört… Es hieß, du kannst gefährlich werden, und was weiß ich alles. Die Lehrersfrau hat erzählt, du hast plötzlich die Waage aus dem Laden geschleppt und in den Brunnen runtergelassen. Das stimmt doch wohl nicht? So was macht kein Mensch.«
    Huttunen mußte zugeben, daß er allerdings Tervolas Waage in den Brunnen befördert habe.
    »Die kriegt man wieder hoch, man muß bloß den Eimer heraufziehen.«
    »Auch

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