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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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und vergaß sogar sein Fahrrad. Der Arzt trat vors Haus, um den Abgang seines Patienten zu beobachten. Er sah den baumlangen Mann zum Fried-hof laufen.
    »Verspottet einen noch, dieser verdammte Irre. Ver­ steht sowieso nicht das geringste von Jagd. Ungehobel­ ter Klotz.«
    11
    Am Friedhof machte Huttunen halt. Ihm war übel, see­ lisch und körperlich. Im Bauch Ervinens Spiritus und im Kopf die Erinnerung an dessen Zorn – wieso war der Doktor nur so wütend geworden? Erst bot er ihm zu trinken an, und dann wurde er böse. Ein unberechenba­ rer Mann, dachte Huttunen bei sich.
    Ihm war danach, seine Qual hinauszuheulen, aber wie sollte er es wagen?
    Plötzlich fielen ihm die Tabletten ein, die er von Ervi­ nen erhalten hatte. Er holte das Röhrchen aus der Ta­ sche, schraubte den Verschluß auf und kippte sich eine Anzahl kleiner gelber Pillen in die Hand. Wie war das – wie viele sollte er einnehmen? Ob diese winzigen Dinger genug Wirkung hatten?
    Er warf sich eine halbe Handvoll davon in den Mund, zerkaute die Tabletten trotz ihres abscheulichen Ge­ schmacks und schluckte sie sofort hinunter.
    »Pfui Teufel.«
    Ervinens Pillen waren so bitter, daß Huttunen zur Pumpe laufen mußte, um Wasser zu trinken. Er lehnte sich an den Grabstein eines vor Zeiten verstorbenen Mannes namens Raasakka und wartete darauf, daß die Tabletten ihre Wirkung taten.
    Sogleich begann sich dem Müller der Kopf zu drehen. Das starke Nervenmittel vermischte sich mit dem vom Spiritus belebten Blut. Das Übelkeitsgefühl verschwand. Huttunens Herz klopfte schwer und in schnellem Rhythmus. Durch seinen Kopf wälzten sich dicke Ge­ dankenbündel, seine Stirn glühte, die Zunge wurde trocken. Es drängte ihn, sich in die Arbeit zu stürzen – die Grabplatten ringsum wirkten irgendwie unfertig, sie sahen aus wie schlecht geschliffene Klumpen, die au­ ßerdem noch planlos in der Gegend verteilt worden waren. Da müßte eine harmonische Ordnung geschaffen werden. Auch die alten Friedhofsbäume waren gewach­ sen, wie es gerade kam. Besser wäre es, sie alle zu fällen und neue Bäume an die richtigen Stellen zu pflanzen. Die kleine alte Holzkirche mit ihren roten Wänden be­ gann Huttunen zu amüsieren, und die neue große brachte ihn gar zum Lachen.
    Der Müller lachte aus vollem Hals, lachte über alles ringsum: die Grabsteine, die Bäume, die Kirchen und sogar den Friedhofszaun.
    Ein übermächtiger Zwang zu handeln trieb ihn vom Friedhof. Ihm fiel ein, daß er sein Fahrrad hinter Ervi­ nens Haus vergessen hatte. Er rannte hin und schlug dabei ein so schnelles Tempo an, daß ihm das Wasser in die Augen trat und die Mütze vom Kopf flog. Auf dem schotterbedeckten Hof blieben tiefe Spuren zurück, als der Läufer bremste und hinters Haus abbog, um sein Fahrrad zu holen. Da stand es ja!
    Ervinen saß vor seinem Kamin und trank Spiritus. Er beschäftigte sich in Gedanken mit dem Fall Huttunen. Es reute ihn jetzt ein wenig, daß er vor einem einfachen Mann aus dem Volk die Fassung verloren hatte. Womög­ lich hatte der Müller mit seinem Scherz nur Gutes beab­ sichtigt? Vielleicht war der Humor des armen Kerls tatsächlich so geschmacklos und töricht, daß er sich in dieser unerträglichen Form äußerte? Ein Arzt sollte nie vor einem Patienten die Nerven verlieren. Wie einfach hatten es doch die Tierärzte! In solchen Fällen könnten sie schlicht diagnostizieren, der Patient sei tollwütig oder dämpfig und müsse getötet werden. Damit wäre die Sache erledigt, der Bauer würde seine Kuh oder sein Pferd töten, und dieser Vertreter des Tierreiches würde seinem behandelnden Arzt nie wieder Probleme machen.
    Verstimmt schloß Ervinen die Augen, um sie sofort erschrocken wieder zu öffnen, denn hinter dem Haus hörte er es dumpf krachen. Gleich darauf ertönte die Stimme des Müllers. Ervinen griff sich ein Gewehr von der Wand, band den Gürtel seiner Hausjacke zu und rannte so schnell aus dem Haus, daß er beinah die Pantoffeln verlor.
    Huttunen kam um die Ecke gestürmt und trug sein Fahrrad unter dem Arm. Er war völlig außer sich: die Augen quollen ihm aus den Höhlen, und vor seinem Mund stand Schaum. Seine Bewegungen waren unge­ stüm, geradezu maßlos.
    »Hast du etwa die Tabletten gegessen, törichter Kerl?« rief Ervinen, doch der Müller sah und hörte ihn kaum. »Sofort ins Bett, zum Donnerwetter!«
    Der Müller stieß ihn mitsamt seinem Gewehr beiseite und schwang sich auf sein Fahrrad. Ervinen klammerte sich mit

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