Der heulende Müller
zwei finstere Männer, die offenbar aneinander Gesellschaft gefunden hatten: sie starrten sich unverwandt mit flammenden Augen an, sprachen jedoch kein Wort.
Insgesamt war es eine trostlose, apathische Gesell schaft. Huttunen versuchte, mit diesen geistig schwer gestörten Männern Bekanntschaft zu schließen. Er lachte, grüßte und fragte seinen Bettnachbarn:
»Na, wie geht’s denn so?«
Der andere antwortete nicht. Der lesende Mann an der Tür war der einzige, der Huttunen begrüßte. Huttu nen versuchte, die Gepflogenheiten des Hauses zu erfra gen, erkundigte sich, wo die Anwesenden zu Hause seien, doch alles war umsonst. Die in sich gekehrten Männer zeigten keinerlei Interesse an einem Kontakt. Huttunen seufzte schicksalergeben und ließ sich aufs Bett sinken.
Gegen Abend trat ein robuster Pfleger ins Zimmer. Er hatte die Ärmel hochgekrempelt, als komme er in der Hoffnung auf ein Handgemenge. Forsch fragte er Huttu nen:
»Bist du es, der heute morgen eingeliefert wurde?« Huttunen bejahte. Er äußerte seine Verwunderung,
daß die anderen Patienten so gut wie nicht mit ihm redeten.
»Das sind alles solche Finsteren und Stillen. Bei uns kommen die Neuen meist zu Anfang in dieses Zimmer. Es ist besser so, bei den Unruhigen gibt es immer Stunk.«
Der Pfleger erklärte ihm, was man in der Klinik von ihm erwartete:
»Du benimmst dich anständig und fängst nicht an zu toben. Essen kriegst du zweimal am Tag. Einmal in der Woche ist Sauna. Pinkeln kannst du, wann du willst, da in der Nische steht ein Kübel. Wenn du scheißen willst, mußt du das extra melden. Am Montag kommt der Arzt.« Der Pfleger entfernte sich und schloß die Tür hinter sich ab. Huttunen erinnerte sich, daß es Donnerstag war. Den Arzt würde er erst am Montag treffen, es blieb also eine Menge Zeit. Er ließ sich aufs Bett fallen und versuchte zu schlafen. Ervinens Tabletten wirkten noch immer und ermöglichten ihm den Schlaf, dafür fand er
dann in der Nacht keine Ruhe.
Am späteren Abend kam der Pfleger noch einmal und kommandierte die Patienten in die Betten. Sie gehorch ten brav. Bald darauf erlosch die helle Glühlampe an der Decke, der Pfleger schaltete sie draußen auf dem Flur aus. Huttunen horchte auf den Schlaf seiner Leidensge fährten. Zwei oder drei Patienten schnarchten. Die Luft im Zimmer war stickig, in der Ecke furzte hin und wie der jemand. Huttunen wollte den Furzer wecken, doch dann fiel ihm ein, daß dort hinten die finstersten Patien ten schliefen.
»Sollen sie furzen, die armen Kerle.« Huttunen fand, an einem Ort wie diesem müsse jeder
unweigerlich verrückt werden, falls er nicht bald he rauskäme. Es war grauenhaft, umgeben von Geistesge störten in einem dunklen Zimmer zu liegen. Welchen Nutzen sollte das bringen? Würde dieses Gefangenenda sein irgend jemanden heilen? Alles war eingegrenzt und geregelt, nicht einmal über seine kleinsten Bedürfnisse durfte man selbst entscheiden. Sogar aufs Klo wurde man begleitet. Der Pfleger paßte auf, daß der Patient nichts schmutzig machte. Es war demütigend.
Die ersten Nächte verbrachte Huttunen wachend. Er schwitzte im Bett, warf sich herum, seufzte. Er hatte Lust zu heulen, aber es gelang ihm, sich zu beherr schen.
Am Tag verging die Zeit besser. Huttunen bekam von den anderen Patienten bereits kurze Antworten. Der junge Hänfling mit der wechselnden Mimik kam hin und wieder zu ihm, um ihm alles mögliche zu erklären. Die Rede des armen Kerls war so wirr, daß Huttunen nicht das geringste begriff. Er nickte zu den Worten des Bur schen und murmelte bestätigend:
»Ja ja, so ist es.«
Im Speisesaal herrschten Lärm und Gebrüll, trotzdem brachten die Mahlzeiten Abwechslung in den eintönigen Tag. Viele Patienten aßen mit den Fingern, schmierten sich Brei ins Gesicht, kippten Geschirr um und lachten idiotisch, auch wenn sie ausgeschimpft wurden.
Das Patientenzimmer wurde täglich von einer mürri schen Frau aufgewischt, die die eingefleischte Gewohn heit hatte, die Bewohner nach Strich und Faden zu beschimpfen. Sie nannte die Kranken faul und nichts nutzig, bezeichnete sie als Schmutzfinken. Zu Huttunen sagte sie wütend:
»So ein großer Kerl, und hat nichts Besseres zu tun, als verrückt zu werden!«
Zwischendurch kam der Pfleger, um den Patienten Medizin zu verabreichen. Er verteilte Pillen und paßte auf, daß sie in seiner Anwesenheit eingenommen wur den. Wenn jemand seine Ration nicht sofort hinunter schluckte,
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