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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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dabeigehabt, um Bären zu jagen, die habe es damals dort noch gegeben. Er habe von einem einheimischen Bauern eine einge­ kreiste Bärenhöhle gekauft. Sie seien mit dem Pferdewa­ gen über den Holztransportweg hingefahren, dann hät­ ten sie das Pferd einen Kilometer davor zurückgelassen und den Rest des Weges auf Skiern zurückgelegt, die Hunde hätten sie an der Leine geführt.
    »Man sollte gar nicht glauben, wie spannend es für einen Mann ist, zum ersten Mal auf Bärenjagd zu gehen. Es ist aufregender als Krieg.«
    »Das kann ich gut verstehen«, sagte Huttunen und schlürfte Schnaps. Ervinen goß nach, ehe er fortfuhr:
    »Meine Hunde waren wirklich ausgezeichnet. Kaum hatten sie Witterung von der Bärenhöhle aufgenommen, sausten sie auch schon los. Der Schnee stob nur so, als sie reinstürzten. So sah das aus!«
    Ervinen ließ sich auf alle viere nieder und machte vor, wie seine Hunde den schlafenden Bären in seiner Höhle aufscheuchten.
    »Dann kam der verdammte Bär raus, ihm blieb ja nichts anderes übrig. Die Hunde waren sofort an seinem Hinterteil, so machten sie das!«
    Vor Wut knurrend schlug Ervinen seine Zähne in das Schwanzende des Bärenfells, das über den Schaukel­ stuhl gebreitet war. Es rutschte herunter. Der Arzt zerrte und riß daran, bis er den Mund voller Borsten hatte.
    »Schießen konnte ich nicht, es hätte die Hunde treffen können!«
    Der erregte Arzt spuckte die Fellborsten aus, füllte zwischendurch beide Gläser und machte dann mit seiner Vorführung weiter. Er spielte abwechselnd seine Hunde und den rasenden Bären. Er steigerte sich so sehr in die Darstellung hinein, daß ihm der Schweiß ausbrach. Als er endlich den Bären erlegt hatte, schnitt er ihm symbolisch die Zunge tief unten im Rachen her­ aus und warf sie den Hunden zum Fraß vor. Seine Handbewegung war so wild, daß der Aschenbecher vom Tisch fiel, doch der Jäger bemerkte es nicht. Er stieß dem Bären den Dolch in die Kehle und ließ das Blut des Königs der Wälder in den Schnee rinnen. Dann beugte er sich über den gedachten Bärenkadaver und begann, das heiße Blut des getöteten Tiers zu trinken, und da kein wirkliches Blut zur Verfügung war, goß er sich ein Glas Spiritus in die Kehle. Schließlich erhob er sich und setzte sich mit gerötetem Gesicht in den Schaukelstuhl.
    Die Vorführung hatte auf Huttunen so großen Ein­ druck gemacht, daß er nicht mehr an sich halten konn­ te, sondern aufsprang und seinerseits einen Kranich zu spielen begann.
    »Letzten Sommer habe ich in Posio einen Kranich im Moor gesehen. So sah es aus, wie er da herumstolzierte! Und so machte er, wenn er sich Frösche aus dem Ried schnappte! Und so hat er sie dann verschlungen!«
    Huttunen machte vor, wie der Kranich Frösche auf­ spießte, wie er seinen langen Hals reckte und seine Beine hob und wie er mit seiner hohen Stimme schrie.
    Verwirrt verfolgte der Arzt die Vorstellung. Er begriff nicht, was in den Patienten gefahren war. Erlaubte sich der Müller einen Scherz mit ihm, oder war der Mann tatsächlich so verrückt, daß er urplötzlich einen Kranich spielte, den er nicht mal erlegt hatte? Huttunens grelle Kranichschreie ärgerten Ervinen. Er kam zu dem Schluß, der törichte Müller mache sich auf seine eigene, geisteskranke Weise über ihn lustig. Er stand auf und sagte in strengem Ton zu Huttunen:
    »Hören Sie auf, Mann. Ich dulde in meiner Wohnung keinen solchen Spott.«
    Huttunen hörte auf zu schreien. Er beruhigte sich und sagte leise, er habe keineswegs die Absicht gehabt, den Doktor zu ärgern. Er habe nur zeigen wollen, wie sich die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung verhielten.
    »Sie haben ja auch einen Bären gespielt, Herr Doktor. Das war eine gute Vorführung.«
    Ervinen wurde wütend. Er hatte lediglich eine Bären­ jagd lebendig dargestellt, und das bedeutete noch lange nicht, daß man ihn sofort dermaßen schändlich und geschmacklos nachäffen mußte. In seinem Haus hatte niemand das Recht, Unfug zu treiben.
    »Scheren Sie sich hinaus.«
    Huttunen staunte. So leicht wurde der Doktor wü­ tend? Seltsam, wie nervös die Menschen letzten Endes waren. Er versuchte sich zu entschuldigen, aber Ervinen wollte nichts mehr hören, sondern zeigte stur auf die Tür, er nahm kein Geld für die Tabletten und entfernte das halb ausgetrunkene Glas Spiritus aus der Reichwei­ te des Müllers.
    Huttunen stürzte mit glühenden Ohren hinaus. Er war erschrocken und beschämt, rannte über den Hof zur Birkenallee

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