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Der heulende Müller

Titel: Der heulende Müller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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beiden Händen an den Gepäckträger, so daß sein Gewehr zu Boden fiel. Huttunen war jedoch schon in Fahrt – da konnte ein leichter Arzt nicht viel bewir­ ken. Zwanzig Meter ließ sich Ervinen mitschleifen, dann mußte er loslassen, denn ihm fielen die Pantoffeln von den Füßen, und wer will schon barfuß auf einem schot­ terbedeckten Hof einen bärenstarken Radfahrer brem­ sen. Ervinen hörte Huttunen durch die Birkenallee wüten. Es war kein vernünftiges Wort zu verstehen.
    Mit aller Kraft brüllend und lärmend fuhr Huttunen durchs Kirchdorf. Er besuchte fast jedes Haus, weckte die Leute, begrüßte sie, redete, lachte, heulte, knallte mit den Türen und trat gegen die Wände. Das ganze Zentrum des Sprengels hallte vom Toben des Müllers wider. Die Hunde jaulten, die Frauen jammerten, und der Pastor betete.
    Man rief Kommissar Jaatila an: Jemand müsse von Amts wegen kommen und den Müller beruhigen. Wäh­ rend Jaatila am Telefon sprach, radelte Huttunen auf den Hof, rannte die Stufen zum Haus hinauf und trat mit dem Fuß gegen die Tür. Jaatila ging dem Ankömm­ ling entgegen.
    Huttunen bat um Wasser, sein Mund sei ausgetrock­ net. Der Kommissar dachte nicht daran, ihm diesen Wunsch zu erfüllen, sondern holte seinen dienstlichen Schlagstock aus der Schlafkammer und hieb ihn dem Müller so gründlich um die Ohren, daß der Ärmste Sterne sah. Er hielt sich den Kopf, wankte auf den Hof und setzte seinen Weg fort.
    Der Kommissar rief Wachtmeister Portimo an, der bereits Bescheid wußte:
    »Das Telefon klingelt seit einer halben Stunde pausen­ los. Es heißt, Huttunen habe einen Anfall.«
    »Feßle ihn und steck ihn in die Zelle. Der gesetzlose Zustand in diesem Sprengel hat schon viel zu lange gedauert.«
    Wachtmeister Portimo zog seine Stiefel an, lud die Pistole und steckte die Handschellen und ein Stück Seil ein. Dann machte er sich auf, Huttunen zu suchen. Er hatte Angst, denn mit dem Müller war jetzt nicht gut Kirschen essen. Die Dienstpflichten eines einsamen alten Polizisten waren manchmal sehr unangenehm und schwer.
    Bitte, lieber Gott, mach, daß er sich beruhigt. Es wäre besser für uns alle, dachte Portimo in seinem Herzen.
    Es war nicht schwer für den Polizisten, den Delin­ quenten zu orten: der Widerhall in der Sommernacht beschrieb seinen Weg. Von Siponens Gehöft her ertönte gewaltiger Lärm – für den Wachtmeister das Zeichen, daß Huttunen inzwischen bis dorthin vorgedrungen war. Mit sehr zarten Händen schien man den Müller nicht zu empfangen.
    Auf Siponens Hof hatte eine ganze Schar aktiver Dorf­ bewohner den Müller am Schlafittchen: Kaufmann Tervola, Lehrer Tanhumäki, der Pastor und die Pastorin, ein paar unbedeutende Leute aus der Nachbarschaft sowie Siponen und sein Knecht. Der Hund des Hauses tobte zwischen ihnen herum und versuchte immer wieder, Huttunen am Hintern zu packen, denn er war als Bärenhund ausgebildet. Entsetzt beobachtete die Klubberaterin Sanelma Käyrämö den Kampf auf dem nächtlichen Hof, sie betete und klagte. Die gelähmte Bäuerin hatte man auf ihrem lebenslangen Krankenla­ ger in der Einsamkeit der Schlafkammer vergessen, doch das ertrug sie nicht. Neugierig und zornig sprang sie aus dem Bett und trabte ohne Rücksicht auf ihren todkranken Zustand zum Fenster, um zuzuschauen, wie die Leute draußen den irren Müller von Suukoski bän­ digten.
    Gemeinsam konnten sie Huttunens ausgelassene Stimmung mit Fußtritten und Faustschlägen dämpfen, und als Wachtmeister Portimo eintraf, nahmen sie ihm flugs den Gummiknüppel ab und vermöbelten den Mül­ ler so, daß es ihm übel erging. Mit letzter Kraft packte er das Fußgelenk von Launola und drückte es so heftig, daß der laute Schmerzensschrei des Knechts den allge­ meinen Lärm übertönte.
    Unter der Übermacht der anderen und ermüdet vom eigenen Toben mußte sich der Müller ergeben. Portimo ließ die Handschellen um seine Gelenke klicken, und der Lehrer und der Kaufmann schleiften ihren Fang zu einem Karren mit Gummireifen, auf dem sie den Un­ glücklichen festbanden. Für die Zeit, die fürs Anspan­ nen nötig war, setzte sich der Pastor auf Huttunens Kopf. Huttunen biß ihm in den Arsch, was jedoch keine nennenswerten Schäden hervorrief, jedenfalls nicht für die Pastorin. Siponen stellte sich auf den Wagen und knallte mit der Peitsche. So fuhr man Huttunen ins Gefängnis.
    Am Friedhof wurde der Transport gestoppt: Doktor Ervinen kam dem Wagen entgegengelaufen. Mit dem Gewehr in der

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