Der heulende Müller
er,
und sagte dann, wobei er versuchte, das Fenster zu schließen:
»Ja, natürlich… irgendein einsames Tier, das vielleicht über die Grenze gekommen ist. Jetzt im Sommer ist es völlig ungefährlich.«
Der Gouverneur erlaubte nicht, daß das Fenster ge schlossen wurde. Er erzählte, dies sei das erste Mal, daß er Gelegenheit habe, das Geheul eines echten und wil den Wolfes zu hören.
»Dies ist eine der wunderbarsten Erfahrungen meines Lebens! Kommissar, gießen Sie doch ausnahmsweise noch ein wenig Kognak ein!«
Ervinen durchbrach den Bann, indem er spöttisch bemerkte:
»Das ist kein Wolf. Ich kenne doch die Stimme meines Patienten. Es ist der Müller Huttunen, der da heult.«
Viittavaara bestätigte:
»Genauso winselt er immer. Das ist Huttunen und kein normaler Wolf. Du hast ihn doch selber auch er kannt, Jaatila.«
Der Kommissar mußte zugeben, daß auch sein Gehör jetzt besser unterscheide und daß es vielleicht doch Huttunen sei, der da heule.
Der Gouverneur explodierte. Er fand das alles unbe greiflich: Man ließ diesen Mann den Sprengel terrorisie ren, wie es ihm gefiel! Warum fuhr man nicht sofort hin und verhaftete ihn?
Der Kommissar erklärte, es sei in dieser schneelosen Zeit nicht so einfach, den Müller zu finden. Man brau che viele Männer, Spürhunde, Glück… Im Sprengel gebe es nur einen einzigen Polizisten, Wachtmeister Portimo, der seiner Aufgabe nicht gewachsen sei und den Müller schon mehrmals habe entwischen lassen. Man müsse den Huttunen jetzt einfach heulen lassen… Nachher im Herbst, gleich beim ersten Schnee, werde er, der Kom missar, dem Gejaule ein Ende machen. Im Moment könne man nichts tun.
Der Gouverneur war anderer Meinung: »Ich werde dafür sorgen, daß von der Grenzkompanie
aus Rovaniemi Jäger und Spürhunde hergeschickt werden. Ein einzelner Mann ist im Wald zu finden, da bin ich sicher. Wenn Sie, Kommissar Jaatila, nicht genügend Männer und Hunde zur Verfügung haben, werde ich mich persönlich um diese Seite der Angele genheit kümmern.«
Das Fenster wurde geschlossen. Man schenkte dem Gouverneur Kaffee ein. Kommissar Jaatila saß beleidigt in seinem Sessel. Seine Amtsführung war soeben massiv kritisiert worden. Schuld daran waren der geschwätzige Doktor Ervinen und der tölpelhafte Bauer Viittavaara… und natürlich der Erzteufel selbst: Huttunen.
Nach einiger Zeit machte der Kommissar dem Gou verneur den Vorschlag, man solle mit dem Müller Gun nar Huttunen in eine Art Friedensverhandlungen eintre ten, ein Abkommen anstreben:
»Könnte man den Mann nicht auf irgendeine Art be gnadigen? Man könnte ihm eine Botschaft zukommen lassen, daß er aus dem Wald herauskommen kann und daß für die früheren Vergehen keine Anklage erhoben, ja daß er nicht mal gleich in die Klinik gebracht wird… Ich bin sicher, er würde auftauchen, zur Ruhe kommen. Man könnte eine schriftliche Erklärung von ihm verlan gen, daß er nie wieder laut heult. Die hiesige Landwirt schaftsberaterin hat angedeutet, daß sie Kontakt zu dem Mann hat. Damit wäre die leidige Angelegenheit von der Tagesordnung.«
Der Gouverneur dachte über den Vorschlag nach, kam jedoch zu einem negativen Ergebnis:
»Nein. Das läßt sich nicht machen. Einen Verbrecher könnte man vielleicht noch begnadigen, dafür gibt es keinen Hinderungsgrund, aber wie begnadigen wir einen Geisteskranken? So etwas steht nicht in der Macht der Behörden. Die Sache ist schlicht und einfach die, daß der Mann bei der nächstbesten Gelegenheit in die Ner venklinik einzuliefern ist, wo er auf Dauer hingehört. Ich erlaube nicht, daß in den Wäldern meines Bezirkes ein Mensch heult.«
Im Salon wurden Stimmen laut. Die Magd kam und teilte dem Kommissar mit, ein gewisser Launola wolle ihn sprechen. Der Kommissar folgte ihr in den Salon. Der Gouverneur hörte, wie in der erregten Unterhaltung der Name des Müllers Huttunen fiel. Er bat den Kom missar und den Knecht ins Arbeitszimmer.
»Erzählen Sie mal, junger Mann, was Sie von diesem Müller Huttunen wissen.«
Launola verbeugte sich und fing damit an, daß er es übernommen habe, den Küster zu vertreten, der krank sei.
»Er hat eine Lungenerweiterung und liegt im Bett, weil ihm keine Medizin hilft… und weil er kein Geld für einen anderen Arzt als bloß für den… ehm… Doktor Ervinen hat.«
Ervinen fuhr ihn an:
»Komm zur Sache, Launola, die verrotzte Lunge des Küsters interessiert den Gouverneur nicht.«
Launola
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