Der heulende Müller
erzählte, er sei am Morgen in den Glocken turm hinaufgestiegen, um die Kirchenglocken zu läuten. Im Turm habe Huttunen ihm aufgelauert.
»Kunnari hat mich k. o. geschlagen und mich so ge fesselt, daß ich nicht fliehen und nicht schreien konnte. Dann hat er selber die Glocken geläutet, und nach dem Gottesdienst haben wir uns die Sportwettkämpfe ange
sehen. Den Herrn Gouverneur haben wir dort auch gesehen.«
Launola erzählte, er sei den ganzen Tag Huttunens Gefangener gewesen. Erst abends habe Huttunen mit ihm den Glockenstuhl verlassen und ihn in den Kir chenkeller eingeschlossen. Von dort habe er eben erst durchs Fenster fliehen können.
»Das war alles, was ich sagen wollte.« Der Knecht durfte gehen. Als sich die Tür hinter ihm
geschlossen hatte, sagte der Gouverneur mit strenger Stimme:
»Da der Mann ein derartiges Verhalten und eine so ungeheure Frechheit an den Tag legt, ist er schnellstens festzunehmen, notfalls mit Hilfe der Armee. Kann man sich ein schlimmeres Glaubensverbrechen vorstellen – ein Irrer läutet im Gotteshaus die Glocken!«
Der Gouverneur öffnete noch einmal das Fenster. Alle lauschten schweigend. Aber am Reutuberg blieb es still. Huttunen war bereits unterwegs zu seinem Lager auf der Westseite.
34
Ein paar Tage vergingen, da tauchte ein Bekannter im Lager auf: Happola. Huttunen lag in seinem Unterstand und las in der Kaitilaschen Handelslehre, als die Un glückshäher vom Dach aufflatterten und ihn von seiner Lektüre aufschreckten. Mit dem Stutzen in der Hand wartete er auf den Ankömmling. Als er seinen Kamera den aus der Nervenklinik erkannte, fragte er als erstes:
»Wie kannst du denn jetzt schon hiersein?« »Du hast doch geschrieben! Es war gar nicht so ein
fach, dein neuer Wohnort ist umständlich zu erreichen. Aber du hast in deinem Brief alles ziemlich genau be schrieben. Bloß den Briefkasten konnte ich beim besten Willen nicht finden!«
Happola wirkte vital und fröhlich. Er trug eine neue Lederjacke und Stiefelhosen mit hinten aufgenähtem Lederbesatz. Seine Füße steckten in neuen Schaftstie feln. Huttunen hängte den Kaffeekessel übers Feuer und schnitt seinem Kameraden Brot und Speck auf.
Nach dem ersten Becher Kaffee kam Happola auf sein eigentliches Anliegen zu sprechen. Er berichtete, er sei vor zwei Tagen in Oulu aufgebrochen, habe in Kemi übernachtet und sich danach die Mühle von Suukoski angesehen. »Gestern und heute habe ich in deiner Müh le rumgestöbert.«
»Na, wie findest du sie? Ist doch gut in Schuß, oder?« fragte Huttunen gespannt.
Happola gab zu, daß die Mühle einigermaßen in Ord nung sei, oberflächlich betrachtet. Das Gebäude habe einen neuen Anstrich. Das Wehr habe stabil gewirkt. Auch die Wasserräder seien in einem brauchbaren Zustand. Beim Treibriemen sei er da nicht so sicher. Huttunen sagte, er habe bereits im Frühjahr einen neuen für die Mehlsteine bestellt. Der liege abholbereit am Bahnhof, man brauche nur die Rechnung beim Eisenwarenladen in Kemi zu bezahlen.
Happola sagte:
»Ich verstehe ja nicht viel von Mühlen, aber die Schrotsteine machten einen neueren Eindruck als die Mehlsteine. Und wie du weißt, lohnt sich die Verwen dung von Schrotsteinen heute kaum noch.«
»Aber die Mehlsteine tun es bestimmt noch etliche Jahre«, behauptete Huttunen.
»Der größte Mangel an der Mühle ist aber der, daß die untersten Balken am Gebäude ziemlich morsch sind. Auf der Südseite müßten mindestens drei Lagen Balken erneuert werden. Denselben Fehler findet man auch am unteren Ende der Zulaufrinne. Ich hab’ die Balken mit dem Messer geprüft, und die Spitze ist so tief reingegan gen, obwohl ich mit der linken Hand gedrückt hab’«, erklärte Happola und zeigte die entsprechende Spanne.
Huttunen gab zu, daß an der Wand zum Wasserrad hin vielleicht tatsächlich in den nächsten Jahren ein paar Lagen Balken erneuert werden müßten. Aber da die Mühle auf Pfeilern ruhe, sei die Einfügung neuer Balken überhaupt kein Problem:
»Wenn du mit einem Hebel die Balken auf Höhe der Pfeiler anhebst und das morsche Holz darunter aus tauschst, brauchst du nachher bloß das Gebäude he runterzulassen und fertig. Ein Zimmermann macht dir
das in ein oder zwei Tagen.«
»Aber auf den Preis wirkt es sich aus. Und du mußt bedenken, daß ich eigentlich überhaupt keine Mühle brauche, weil ich nicht im Getreidegeschäft bin.«
Trotzdem unterbreitete Happola ein Kaufangebot. Der Preis war gering,
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