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Der Hexenmeister

Der Hexenmeister

Titel: Der Hexenmeister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Blish
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sind. Im Vergleich zu Ihnen ist MARCHOSIAS ein Muster von Adel und Edelmut. Diese Geschöpfe haben ihre Namen verloren, und ihrer Bösartigkeit mangelt jegliche Größe — sie sind reinste Essenz engstirniger Gemeinheit und kleinlicher Bosheit. Es sind die Geister, die sizilianische Milchweiber beschwören, um die Zehennägel ihrer Rivalinnen splittern und einreißen zu lassen oder einem treulosen Liebhaber ein Furunkel auf die Nase zu hexen.«
    »Was Sie da beschreiben, klingt nicht viel anders als gewöhnliche Menschenfrauen«, sagte Jack achselzuckend. »Solange sie mich zufriedenstellen, was tut’s? Wahrscheinlich hätte ich ja als Magier einen gewissen Einfluß darauf, wie sie sich benehmen.«
    »Ja, das schon. Immerhin, warum wollen Sie sich durch Begierde und Unwissenheit zu etwas überreden lassen, wenn es statt dessen für Sie die Möglichkeit eines Experimentes — einer Probe aufs Exempel — gibt? Um die Wahrheit zu sagen, Mr. Ginsberg, ich würde keinem Entschluß oder Vorsatz trauen, der nur dem phantastisch-euphorischen Zustand entspringt, in dem Sie sich jetzt gerade befinden. Wenn Sie sich zu dem Experiment nicht bereit erklären, dann muß ich Ihnen leider Ihre Bitte abschlagen.«
    »Warten Sie einen Augenblick«, sagte Jack, »warum haben Sie es nun auf einmal mit all dem so eilig? Welchen Vorteil bringt Ihnen das?«
    »Das habe ich Ihnen schon gesagt«, erklärte Ware geduldig. »Wahrscheinlich werde ich Sie bei Dr. Baines’ großem Vorhaben als Tanist brauchen. Ich möchte diesmal unbedingt darauf zählen können, daß Sie fest stehen. Ich kann dessen aber nicht sicher sein, ohne den Grad und das Maß zu kennen, in dem Sie sich der Sache verpflichtet fühlen.«
    Was immer auch Ware sagen mochte, klang für Jack, als würden leise Türen unmittelbar vor ihm geschlossen. Andererseits aber — die Möglichkeiten — die Chancen . . .
    »Was muß ich tun?« sagte er schließlich hilflos.

 
11
     
    Der Palazzo lag im Schlaf. Fern schlug die gleiche vergeßliche Uhr elf. Ware hatte gesagt, daß dies für den heutigen Tag die rechte Stunde für Experimente auf dem Gebiete des Geschlechts und der Jagd sei. Jack wartete nervös darauf, daß etwas enden — oder vielleicht, daß etwas ganz Neues beginnen werde.
    Er hatte seine Vorbereitungen getroffen, aber er war nicht sicher, daß sie auch nötig gewesen waren. Immerhin, wenn das . . . Mädchen . . ., das ihn besuchen sollte, seinen Wünschen völlig willfährig sein würde — welchen Grund hätte er dann noch, sie zu beeindrucken?
    Dennoch hatte er sich völlig an sein kompliziertes Ritual gehalten, hatte eine Stunde lang gebadet, sich zweimal rasiert, seine Finger- und Zehennägel geschnitten und poliert, sein Haar mit dreißig Bürstenstrichen zurückgekämmt — wobei er das deutsche Haartonikum verwendete, das angeblich Allatoin enthielt —, hatte seinen elegantesten Seidenpyjama und seine Hausjacke angezogen, dazu ein Seidenhalstuch und Hausschuhe aus venezianischem Saffianleder angelegt, hatte sich noch mit Kölnischwasser besprengt und Talkum-Puder ins Bett gestäubt. Vielleicht, so dachte er, lag ein Teil des Vergnügens in den Vorbereitungen, denen man dann einen Anteil am Erfolg zuschreiben konnte.
    Die Uhr hörte auf zu schlagen. Fast augenblicklich vernahm er ein dreifaches Klopfen an der Tür — so langsam, daß ihm jeder sanfte Schlag wie eine völlig unabhängige Handlung erschien. Jacks Herz schlug wild wie das Herz eines Knaben. Er zog die Seidenschärpe seiner Jacke enger und sagte, wie ihm aufgetragen war:
    »Tritt ein .. . tritt ein . . . tritt ein.«
    Er öffnete die Tür. Ware hatte ihn schon darauf vorbereitet, daß er auf dem dunklen Korridor draußen niemanden sehen würde, als er aber die Türe dann wieder schloß und sich umwandte, war sie schon da.
    »Guten Abend«, sagte sie mit leichter Stimme, mit schwachem Akzent — oder war es ein Lispeln? »Hier bin ich, wie du mich eingeladen hast. Magst du mich?«
    Es war nicht das Mädchen, das Ware den Brief gebracht hatte, vor nun schon so vielen Wochen, aber irgend etwas an ihr erinnerte ihn an jemanden, den er einst gekannt hatte. Er konnte sich aber nicht erinnern, wer das gewesen war. Sie war einfach wunderschön; nicht sehr hochgewachsen — einen halben Kopf kleiner als Jack, schlank und offensichtlich kaum älter als achtzehn —, hatte sehr helle Haut, blaue Augen und einen taufrischen, unschuldigen Gesichtsausdruck. Das Gesicht war doppelt pikant, weil die Linien

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