Der Hexenmeister
aber man schien nichts dagegen tun zu können. Jack setzte seine im Geschäftsleben so nützliche Maske freundlicher Aufmerksamkeit auf, biß darunter die Zähne zusammen und marschierte zu Ware in dessen Büro.
Dort war das Sonnenlicht so hell und unschuldig wie eh und je. Es entströmte dem Meereshimmel über dem Steilabhang. Jack fühlte sich nun wieder etwas mehr in Berührung mit dem, was er bisher für ›das wirkliche Leben‹ gehalten hatte. In der vagen Hoffnung, Ware die Initiative zu entreißen und für sich zu behalten, fragte er den Magier, noch ehe er sich setzte: »Gibt es schon irgendwelche Neuigkeiten?«
»Gar keine«, sägte Ware. »Setzen Sie sich, bitte. Dr. Stockhausen ist, wie ich Ihnen allen schon zu Anfang vorausgesagt habe, ein sehr hartnäckiger ›Patient‹. Es ist sogar möglich, daß er überhaupt nicht fällt. Wenn das eintritt, werden wir uns noch weit mehr anstrengen müssen. Inzwischen aber nehme ich an, daß er doch fällt, und daß ich mich also schon für Dr. Baines’ nächsten Auftrag vorbereiten sollte. Deshalb wollte ich zuerst einmal mit Ihnen sprechen.«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, worin Dr. Baines’ nächster Auftrag bestehen wird«, sagte Jack, »aber selbst wenn ich es wüßte, würde ich es Ihnen nicht sagen, ehe er es nicht selbst tut.«
»Sie nehmen alles immer so schrecklich wörtlich und direkt, Mr. Ginsberg. Nein, ich habe Sie nicht kommen lassen, um Sie über die Pläne Ihres Chefs auszuhorchen. Ich weiß bereits, und vorläufig ist mir dieses Wissen genug, daß der nächste Auftrag Mr. Baines’ etwas Großangelegtes sein wird — vielleicht sogar ein einmaliges Experiment in der Geschichte der ›Kunst‹. Also gut. Aber wenn ich ein solches Unterfangen in Angriff nehme, dann brauche ich Assistenten — und ich habe keine Adepten mehr. Heutzutage werden sie schon sehr früh ehrgeizig und machen entweder dumme technische Fehler oder müssen wegen Ungehorsams entlassen werden. Laien, selbst solche, die mit der Magie sympathisieren, sind gleichermaßen unverläßliche Helfer, einfach wegen ihres blinden Eifers und ihrer Unwissenheit. Wenn sie aber ganz ungewöhnlich intelligent sind, dann kann man sie manchmal ohne Gefahr als Helfer heranziehen. Wohlgemerkt: manchmal. Alle diese Einschränkungen erklären, warum ich Ihnen und Dr. Hess erlaubte, die Sache am Heiligen Abend mitzuerleben, und nicht nur Dr. Hess, um dessen Teilnahme mich Dr. Baines ursprünglich gebeten hatte. Es erklärt auch, warum ich jetzt mit Ihnen sprechen will.«
»Ich verstehe«, sagte Jack. »Ich sollte mich wohl geschmeichelt fühlen.«
Ware lehnte sich in seinem Sessel zurück und hob wie verärgert die Hände. »Ganz und gar nicht. Ich sehe schon, mit Ihnen muß man deutlich sprechen. Ich war mit Dr. Hess’ Begabung durchaus zufrieden und muß daher mit ihm nicht mehr über die Sache sprechen, außer ihm noch gewisse Anweisungen zu geben. Mit Ihnen aber bin ich durchaus nicht zufrieden. Ich habe das Gefühl, Sie sind so schwach wie ein Schilfrohr im Wind.«
»Ich bin kein Magier«, sagte Jack und versuchte, sich zu beherrschen. »Wenn zwischen uns Feindseligkeit besteht, so muß man fairerweise zugeben, daß ich nicht der alleinige Urheber dieses Gefühles bin. Sie haben schon bei unserm ersten Gespräch Ihr Bestes getan, mich zu beleidigen, nur weil ich Ihrem Zauber mit natürlichem Mißtrauen gegenüberstand — was ich ja auch der mir von Dr. Baines übertragenen Aufgabe und Verantwortung der Firma gegenüber schuldig war. Nun, ich bin nicht leicht beleidigt, Dr. Ware, aber es ist leichter, mit mir zusammenzuarbeiten, wenn man einigermaßen höflich ist.«
»Stercor«, sagte Ware. Jack wußte nicht, was das Wort bedeutete. »Sie scheinen anzunehmen, ich spreche über Public Relations, über die Gabe, mit Leuten gut auszukommen, und all diesen Quatsch. Nichts liegt mir ferner. Ein wenig Haß hat der ›Kunst‹ noch nie geschadet, und sorgfältig berechnete Beleidigungen sind im Umgang mit Dämonen äußerst nützlich — nur wenige von ihnen können durch Schmeichelei gewonnen werden. Ein Mann aber, der auf Schmeichelei reagiert, ist überhaupt kein Mann, sondern ein Hund. Versuchen Sie mich doch bitte zu verstehen, Mr. Ginsberg. Ich rede jetzt weder von Ihrer Bediensteten-Feindseligkeit, noch von Ihrem überraschend langsamen Hirn, sondern von Ihrem Hasenmut. Während der letzten Beschwörung gab es einen Moment, in dem ich erkennen mußte, daß Sie im nächsten
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