Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
mehreren Tagen von Söldnern überfallen und sind nur knapp mit dem Leben davongekommen«, erklärte Johann und fasste sich an seine verkrustete Halswunde.
»Da scheint ihr Glück gehabt zu haben. Erst gestern haben die Kroaten ohne Erbarmen einen Bürger unserer Stadt erschossen, der für die Einhaltung der Schichtzeiten in der Saline zuständig war. Nur weil Johannes Klinckerfuß – so hieß der Unglückliche – die Arbeitszeit ein wenig überzogen hatte, ließen Oberst Beygott und der Regimentsführer Geleen ihn hinrichten.«
»Was wollen die Kroaten und die Kaiserlichen von Allendorf?«, fragte Franziska und legte den Arm um Benjamin, der nicht verstand, was los war, und sich an sie presste.
In diesem Augenblick eilte ein Mann, dessen rundes Gesicht von einem Vollbart bedeckt wurde, um die Häuserecke. »Wer seid ihr?«, rief er schon von Weitem und stellte sich breitbeinig vor Johann auf, der ihn um einen halben Kopf überragte.
»Mein Name lautet Johann Bonner. Da sind meine Frau und meine beiden Kinder«, dabei zeigte er auf seine Familie. »Wir sind auf der Durchreise. Und wer bist du?«
»Ich heiße Christoph Kirchmeier und bin der Bürgermeister von Allendorf und der Saline in Sooden.«
»Wie kann es sein, dass eure Stadt belagert wird?«
»Wir hatten gehofft, dass die kaiserlichen und die kroatischen Regimenter weiterziehen würden, zumal sie bereits in unserer Nachbarstadt Eschwege keine Beute machen konnten. Aber sie müssen ihre Vorräte auffrischen, und die Offiziere glauben, dass wir in der Lage sind, ein viertausend Mann starkes Heer zu ernähren. Dabei haben unsere siebenhundert Bürger selbst kaum genug zu essen. Vor einigen Jahren zogen bereits die Regimenter der Feldherren Tilly, Wallenstein, Pappenheim und noch einige andere durch diese Gegend, und jeder plünderte unsere Stadt. Nun sind die Kassen der Stadt und die Säckel der Bürger leer, denn wir mussten jedem Feldherrn Schutzbriefe abkaufen, damit sie Allendorf nicht anzünden.«
»Wissen das die Kaiserlichen und die kroatischen Feldherren nicht?«
Der Bürgermeister ließ die Schultern hängen und stöhnte leise. »Sie sind davon überzeugt, dass wir unsere Stadtkassen ebenso wie unsere Vorratskammern weiter auffüllen können, weil wir die Salzgewinnung aufrechterhalten. Doch die Zeiten, als wir eine reiche Stadt waren, sind lange vorbei. Wir haben ihnen unser letztes Geld gegeben, damit auch sie uns einen Schutzbrief ausstellen.«
Johann legte fragend seine Stirn in Falten. »Wofür?«
Der Bürgermeister schnaufte verhalten aus. »Damit unsere Arbeiter unbeschadet nach Sooden gehen können, wo sich unsere Saline befindet. Wir können mit der Salzgewinnung nicht einfach aufhören, schließlich erwirtschaften wir damit zwei Drittel des Landeshaushaltes. Das wissen die Offiziere auch und harren deshalb aus.« Kirchmeier strich sich über seinen struppigen Vollbart. »Als Tilly vor etlichen Jahren hier durchzog, dachte ich, dass bald wieder Frieden herrschen würde, aber ich habe mich geirrt. Nun fordert dieser verdammte Krieg erneut seinen Tribut. Es ist eine Binsenweisheit, dass nach so vielen Kampfjahren der Krieg den Krieg ernährt. Doch irgendwann ist nichts mehr zu holen.«
Johann sah Franziska verzweifelt an. »Was sollen wir machen?«, fragte er seine Frau.
Doch der Bürgermeister antwortete: »Wenn ihr die schützenden Mauern der Stadt verlasst, kann euch niemand helfen, und ihr seid auf euch allein gestellt. Deshalb rate ich euch zu Geduld. Vielleicht haben wir Glück, und die Regimentsführer geben auf und ziehen weiter.«
»Besteht die Hoffnung, dass das bald geschehen wird?«, fragte Franziska und strich ihrem Sohn beruhigend übers Haar.
»Diese Frage kann niemand beantworten. Meine Bürger verhöhnen die Soldaten jeden Tag aufs Neue und sagen ihnen, dass bei uns nichts zu holen ist, aber diese Dummköpfe wollen es nicht glauben. Zwar gehen wir nicht davon aus, dass sie in unsere Stadt eindringen können, denn die Stadtmauer ist hoch und das Holz unserer Tore dick und standhaft. Trotzdem haben wir tagein, tagaus Steine auf die Wälle geschleppt und unsere Waffen für den Ernstfall hinaufgetragen. Aber wenn man die Abertausende Soldaten sieht, wird einem mulmig zumute. Wir hoffen auf den Beistand Gottes und beten täglich in der Kirche Sankt Crucis. Mehr können wir nicht tun.«
Johann knetete nervös seine Hände. »Schon fast daheim und trotzdem so weit entfernt«, jammerte er, sodass Kirchmeier ihn
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