Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
erst am Tag der Abreise von deinen Plänen erfahren«, giftete sie.
»Ich hatte mehrmals vor, mit dir zu sprechen, doch immer wieder verließ mich der Mut«, gab er ehrlich zu.
Ihre Augen verengten sich. »Wie kannst du es wagen, über meinen Kopf hinweg zu entscheiden? Es ist nicht nur mein Leben, über das du bestimmst, sondern auch das Leben unserer Kinder.«
»Soll ich einen Sechsjährigen und eine Sechzehnjährige um Erlaubnis fragen?« Johanns Stimme klang entrüstet.
»Ja, das solltest du, schließlich sind wir eine Familie.«
»Ach?«, rief er ungläubig. »Nur weil es dir jetzt in den Kram passt, nennst du uns Familie. Davon war in den letzten Jahren kaum etwas zu spüren.«
Franziska senkte den Blick, und Johann konnte Tränen auf ihren Wangen glitzern sehen. Ihr Anblick zerriss ihm das Herz, und er wollte einen Schritt auf sie zugehen, als sie ihr Gesicht hob und ihn verächtlich anblickte. »Wann hast du ihn das letzte Mal besucht?«
Johann antwortete scharf: »Welche Rolle spielt das?«
»Beantworte mir meine Frage. Wann?«, zischte sie. Als er schwieg, flüsterte sie: »Du hast ihn noch nie besucht!«
Johann stand mit hängenden Schultern da und reagierte nicht.
»Du hast ihn noch nie besucht!«, schrie Franziska erneut und stürzte sich auf ihn, um ihn mit den Fäusten zu schlagen.
Johann wehrte sie sachte ab, umfasste ihre Oberarme und schob sie von sich. »Wann hast du das letzte Mal seinen Namen ausgesprochen?«, fragte er sanft, und seine Augen suchten ihren Blick.
Franziska wand sich in seinem Griff, doch er ließ sie nicht los.
»Nenn seinen Namen«, sagte er laut, als sie in die Knie ging und aufschluchzte. Sie zog ihn mit sich auf den Boden, und er nahm sie in die Arme. Fransiska vergrub ihr Gesicht an seiner Brust und weinte bitterlich. Johann streichelte ihr übers Haar und flüsterte: »Sag seinen Namen!«
»Ich kann nicht«, wisperte sie und stieß ihn von sich. Sie erhob sich zitternd und wiederholte: »Ich kann nicht!« Dann lief sie aus dem Zimmer.
• Kapitel 11 •
Das Jahr 1635 begann mit ungewöhnlich großer Kälte. Regen gefror sofort auf dem Boden, sodass das Land mit einer glänzenden Schicht überzogen wurde. Die Menschen trauten sich nicht ins Freie, denn die Wege waren gefährlich und die Wahrscheinlichkeit, sich die Knochen zu brechen, hoch. Besonders hart traf es die Alten und die Gebrechlichen, die wie Gefangene in ihren Häusern festsaßen.
Die Sonne schien verschwunden, sodass die Tage trüb und grau blieben. Manch einer orakelte, dass das schlechte Wetter noch lange anhalten würde, weshalb man versuchte, Brennholz zu sparen. Doch die klirrende Kälte zwang die Menschen, ihre Herde und Kamine Tag und Nacht zu befeuern. Trotzdem froren sie erbärmlich, denn feuchte und kalte Luft ließ alles erstarren. Sturm, der übers Land fegte, brachte heftiges Schneetreiben mit, sodass man kaum noch die Hände vor Augen sah. Auch brannte der eisige Wind in den Gesichtern der Menschen, und obwohl sie sich die Lippen mit Fett einschmierten, platzte die Haut schmerzhaft auf. Nach wenigen Wochen war das meiste Holz aufgebraucht, doch kaum einer wagte sich in den Wald, um neues zu holen, denn das Heulen des Windes klang unheimlich und ängstigte nicht nur die Kinder.
Auch im zweiten Monat des neuen Jahres hielt das kalte Wetter Natur und Menschen im Griff. Selbst das Vieh, das in Verschlägen in den Häusern der Bauern lebte, spendete kaum Wärme. Durch die Ritzen der Wände pfiff der eisige Wind und ließ den Mist auf dem Boden gefrieren und Eisblumen auf den Fensterscheiben wachsen. Alte und Kinder rutschten in den Betten zusammen, um sich gegenseitig zu wärmen. Doch obwohl sie die Decke bis zu den Ohren zogen, schlugen ihre Zähne aufeinander. Bei vielen ging nicht nur das Holz zur Neige, sondern auch die Lebensmittel. Während sich die einen an heißer Suppe wärmen und laben konnten, hatten andere nur noch heißes Wasser. In fast jeder Familie gab es Kranke, die Fieber und Husten quälten, und nicht jeder überlebte die Kälte.
• •
Johann war mit seiner Familie während der Wintermonate aus seiner Hütte, die am Rande der Koppel stand, aufs Rehmringer-Gestüt gezogen. So konnten sich die Familien gegenseitig helfen, Brennholz sparen und einander Gesellschaft leisten. Da das Rehmringer-Vieh nicht wie üblich im Wohnhaus, sondern in einem abgetrennten Stall stand, mussten die Männer täglich mehrmals den großen Hof überqueren, der leicht abschüssig und dick
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