Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Gedanke, die Reinheit unserer Muttersprache wiederzugeben, auf dermaßen großen Anklang stoßen würde. Mittlerweile haben wir so viele Anfragen, dass wir unsere Mitgliederzahl bewusst auf zehn beschränken. Es ist ein wahres Vergnügen, mit Gleichgesinnten über unsere Muttersprache zu philosophieren und sich auszutauschen.«
Christel zog verwundert eine Augenbraue in die Höhe. »Ich lobe mir Eure Ansprüche, Herr Moscherosch. Aber ist es nicht verwerflich, sich in Zeiten, in denen seit über einem Jahrzehnt Krieg im Reich herrscht, mit der Reinheit unserer Muttersprache zu beschäftigen?«, fragte sie.
Der Amtmann schaute überrascht auf, doch dann antwortete er höflich auf Christels Einwand: »Gerade in Zeiten des Krieges, in denen die Menschheit zu verrohen droht, ist es wichtig, unsere Rechtschreibung nicht zu vernachlässigen und diese in Gedichten und Geschichten hochleben zu lassen. Schließlich geht es auch um das Erbe unserer Kinder.«
Christel nickte. »Auch wenn nicht jeder schreiben und lesen kann und deshalb Euer Tun nicht zu schätzen weiß, so stimme ich Euch zu.«
Johann sah den Amtmann neugierig an und wagte zu fragen: »Habt Ihr Kenntnisse, ob dieser unsägliche Krieg bald vorbei ist?«
Moscherosch runzelte die Stirn, und sein Blick wurde ernst. »Das kann ich leider nicht beantworten. Allerdings können wir unserem Herrgott danken, dass das Land an der Saar bis jetzt verschont geblieben ist. Ich bete täglich, dass es so bleibt.«
»Ihr als Amtmann wisst sicherlich, wie die Lage allgemein im Reich aussieht«, sagte Clemens und warf seiner Frau einen besorgten Blick zu.
»Ich möchte das alles nicht wissen«, erklärte Christel leise und erhob sich schwerfällig. »Das belastet mich zu sehr«, fügte sie hinzu und stützte mit beiden Händen ihren Leib ab. Sie wünschte allen eine gute Nacht und verließ den Raum.
Moscherosch blickte der Frau hinterher. »Dein Kind wird in schwierige Zeiten hineingeboren«, wandte sich der Amtmann Clemens zu.
Der nickte. »Ich weiß!«, sagte er heiser.
»Aber wenn keine Kinder mehr geboren werden, stirbt die Hoffnung«, sagte der Amtmann lächelnd und wandte sich an Johann. »Du hast mich nach der Lage im Reich gefragt. Leider weiß ich auch nicht viel mehr als das, was die Flugschriften verraten. Angeblich lässt die Pest nach. Selbst in großen Städten wie München, wo bereits mehr als achtzehntausend Menschen den schwarzen Tod fanden, soll die Seuche rückläufig sein. Zwar flackerte die Pestilenz immer wieder auf, aber dieses schreckliche Massensterben hat nachgelassen. Das lässt hoffen, auch wenn meine liebe Barbara Maria nicht wieder zum Leben erweckt wird.«
Johann und Clemens konnten sich an den Aufschrei erinnern, der durchs Dorf ging, als bekannt wurde, dass Barbara Maria Moscherosch an der Pest erkrankt war. Nach nur wenigen Tagen war sie von den Schmerzen erlöst, ohne ihre Familie angesteckt zu haben.
Der Amtmann schien die Gedanken der beiden Männer zu erahnen. »Zum Glück blieben unsere Kinder und auch ich von der Pestilenz verschont«, sagte er leise und starrte auf die Tischplatte.
»Was wisst Ihr noch über den Krieg, Moscherosch? Ihr müsstet doch bei Euren Empfängen, Reisen und Treffen mit Gleichgesinnten mehr erfahren als wir, das normale Volk«, fragte Johann ungeduldig und riss den Amtmann aus seinen Gedanken.
Moscherosch zuckte zusammen, fing sich wieder und antwortete leise: »Du überschätzt meine Stellung, Johann. Ich bin nur ein einfacher Amtmann in einem kleinen und unbedeutenden Ort in Westrich. Warum interessierst du dich für die Lage im Reich? Sei Gott dankbar, dass du hier im sicheren Wellingen mit deiner Familie lebst.«
Johann blickte Clemens an, der seinen Blick mit trauriger Miene erwiderte, und schluckte. Nachdem er sich einige Male geräuspert hatte, sagte er mit rauer Stimme: »Ich plane, mit meiner Familie in meine Heimat zurückzugehen.«
Moscheroschs Kopf ruckte hoch. Seine Augen weiteten sich ungläubig. »Was willst du?«
Erneut spürte Johann einen Kloß im Hals, und er hustete. »Ihr habt richtig gehört. Ich will zurück aufs Eichsfeld.«
Der Amtmann wusste, dass die beiden Männer mit Franziska und einem anderen Paar lange vor seiner Amtszeit als Fremde nach Wellingen gekommen waren. Zwar hörte er das eine oder andere Gerücht, das sich um sie rankte, aber da sie unauffällig lebten, sich nichts zuschulden kommen ließen, hilfsbereit und freundlich waren, gab er nichts auf das Gerede. Im
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