Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
vereist war. Jeden Morgen und jeden Abend wickelten sich Johann und Clemens Stroh und Lumpen um ihr Schuhwerk, um mit sicheren Schritten das Hofpflaster zu überqueren. Doch als in einer Nacht neuer Eisregen den Hof spiegelglatt machte, verlor Johann das Gleichgewicht, rutschte aus und fiel hin. Gepeinigt heulte er auf.
»Ich habe mir den Steiß geprellt«, schrie er und krümmte sich vor Schmerzen.
»Kriech zurück ins Haus. Ich werde das Vieh allein versorgen«, rief Clemens ihm zu.
Doch Johann schüttelte den Kopf. »Du weißt, dass die eine Kuh sich nur von mir melken lässt. Selbst Franziska darf sie nicht anfassen.«
»Rede keinen Unsinn. Wie soll das Vieh merken, dass ein anderer sie melkt?«
»Sie spürt sofort, wenn ein Fremder ihr Euter berührt. Man darf es beim Ausstreichen der Milch nur zart umfassen und muss die Hände vorher anwärmen, sonst tritt sie«, rief Johann gegen den Wind, der aufgezogen war und über den Hof pfiff.
Doch Clemens ließ sich nicht beeindrucken: »Pah! Das Mistvieh kann froh sein, wenn ich es melke!« Und er krabbelte auf allen vieren zum Stall. Er konnte kaum etwas sehen, denn der Wind peitschte ihm Eiskristalle ins Gesicht, die wie Nadelstiche auf der Haut brannten.
Johann versuchte, auf dem Bauch rutschend das Haus zu erreichen. Unter großen Schmerzen gelangte er zur Tür, gegen die er mühsam hämmerte. Als Magdalena öffnete und den Vater vor sich am Boden liegen sah, schrie sie auf.
»Hilf mir auf, Kind. Ich bin ausgerutscht und habe mir den Steiß geprellt«, stöhnte Johann und streckte ihr die Hände entgegen. Kaum stand er auf den Füßen, hörten sie vom Stall einen zornigen Aufschrei und das Scheppern des Eimers.
»Ich habe ihn gewarnt«, murmelte Johann, der trotz seiner Schmerzen grinsen musste.
Wenig später saßen Johann und Clemens gemeinsam mit schmerzverzerrten Gesichtern am wärmenden Herd in der Küche. Der eine hatte eine Beule am Kopf und ein Auge, das sich langsam blau verfärbte, der andere hing mehr auf dem Stuhl, als dass er saß, denn jede Haltung tat ihm weh.
Mitleidig füllte Magdalena vorm Haus ein Tuch mit Schnee, brachte es in die Küche und reichte es Clemens. »Drück den Lappen auf dein Auge. Die Kälte lindert den Schmerz.«
Clemens nahm ihr dankbar den Eisbeutel ab und presste ihn aufs Gesicht.
»Ich habe dir gesagt, dass man die Kuh sanft anpacken muss«, lästerte Johann stöhnend.
»Sobald es taut, wird das Mistvieh geschlachtet!«, bestimmte Clemens zornig.
»Bist du verrückt?«, schimpfte Christel, die beiden Männern angewärmtes Bier reichte. »Keine andere Kuh gibt so viel Milch wie sie. Wir müssen dankbar sein, dass wir unseren Kindern warme Milch zu trinken geben können«, erklärte sie.
Clemens hob die freie Hand, als ob er sich ergeben wollte: »Dann behalten wir das Mistvieh. Aber du musst sie allein melken«, sagte er zu Johann.
»Das Wetter scheint sich auch in den nächsten Tagen nicht zu ändern. Im Gegenteil! Der Himmel hängt voller Schnee. Wir müssen Asche sammeln und einen Weg zum Stall streuen, sonst brechen wir uns alle Knochen«, beschied er Clemens, dem der schmelzende Schnee aus dem Tuch von der Hand tropfte.
»Gib mir das Tuch, Onkel, sonst wird dein Kittel klitschenass«, sagte Magdalena und ging hinaus, um den Schnee zu erneuern. Anschließend nahm sie einen Eimer und sammelte erkaltete Asche aus dem Kamin ein.
Am Nachmittag streute Clemens eine dünne Ascheschicht von der Hoftür bis zum Stall, sodass sie sicher über den Hof zu den Tieren gelangen konnten.
Jeden Tag aufs Neue wurde die Asche ausgestreut, doch dann kam starker Wind auf und wehte sie fort. Da das Vieh vor Hunger blökte, blieb den beiden Männern nichts anderes übrig, als auf ihren Hosenböden zum Stall zu rutschen. Durch den durchnässten Stoff spürten sie rasch, wie die Kälte in ihre Körper kroch. Zitternd molken und fütterten sie die Tiere, um anschließend auf allen vieren zurück zum Haus zu kriechen.
Die Kälte hielt nun schon mehrere Wochen an. Besonders die Kinder wurden bei der erzwungenen Stubenhockerei ungeduldig und streitsüchtig. Georg und Benjamin vertrieben sich die Zeit, indem sie im ganzen Haus Nachlaufen, Fangen oder Verstecken spielten. Ihr Grölen hallte zwischen den Wänden wider, sodass Magdalena sich die Ohren zuhielt. Selbst Schelte und Ermahnungen ihrer Mütter nutzten nichts. Übermütig tobten die beiden Burschen durchs Haus.
»Benjamin! Georg! Seid nicht so ungestüm und schließt die
Weitere Kostenlose Bücher