Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
uns fortgehen – in seine Heimat, das Eichsfeld. Ich weiß nicht einmal, wo das liegt oder wie weit das von hier entfernt ist.«
Maria versuchte ruhig zu bleiben, doch ihre Stimme zitterte. »Er hat es euch endlich gesagt«, flüsterte sie.
Sofort ruckte Magdalenas Kopf herum. »Du weißt auch von seinem Plan?«
»Wer noch?«
»Clemens.«
»Geht er mit?«, fragte die Äbtissin.
Magdalena zuckte heftig mit den Schultern, sodass die Decke verrutschte, die sie mit zittrigen Fingern auffing. Mit einem tränenverschleierten Blick sah sie Maria an. »Kann Vater uns befehlen mitzukommen?«, fragte sie verzweifelt.
Maria erhob sich und setzte sich neben das Mädchen auf die Bank, das sogleich den Kopf gegen ihre Brust legte.
»Ich will nicht weg von dir«, schluchzte Magdalena und umarmte Maria.
Die Äbtissin streichelte ihr über das Haar und versuchte sie zu beruhigen, und dabei spürte sie selbst einen Kloß im Hals.
»Dein Vater meint es nur gut, mein Kind. Er hofft, dass deine Mutter in der alten Heimat das Geschehene vergisst und ihr wieder eine Familie werdet.«
»Wir sind eine Familie«, erklärte Magdalena inbrünstig.
»Aber keine glückliche!«
Das Mädchen blickte beunruhigt auf. »Wie meinst du das?«
Maria wählte ihre Worte sorgsam, denn sie wollte das Mädchen nicht noch mehr erschrecken. »Glaube mir, dein Vater hat diese Entscheidung nicht leichtfertig gefällt, denn das Wohl seiner Familie geht ihm über alles.«
»Das bezweifle ich«, entfuhr es Magdalena abfällig.
»Sei nicht voreingenommen, sondern hör mir zu«, forderte Maria sie mit strengem Ton auf. Sie wartete, bis sich der Gesichtsausdruck des Mädchens entspannte, dann sprach sie weiter: »Du hast sicher selbst bemerkt, dass der Geist deiner Mutter sich euch immer mehr zu verschließen droht.« Fragend blickte sie Magdalena an, die zögerlich nickte.
»Alles in Wellingen erinnert deine Mutter an damals. Sie kapselt sich ab. Anders schafft sie es nicht, mit ihrem Schmerz umzugehen.« Maria starrte vor sich hin, doch als sie fortfuhr, lächelte sie sanft. »Einst war deine Mutter ein lebenslustiger Mensch. Sie hat gern gelacht, und man konnte mit ihr Pferde stehlen. Die Liebe zwischen deinen Eltern schien grenzenlos und unzerstörbar zu sein. Doch dann kam dieser schreckliche Tag vor einigen Jahren.« Marias Blick wurde traurig.
»Ich dachte, sie würde sterben«, flüsterte Magdalena mit bleichem Gesicht.
Maria nickte. »Sie ist gefangen in der Erinnerung, aber sie hat sich noch nicht aufgegeben, weil sie Gott vertraut.«
Magdalena zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. »Worauf vertraut sie?«, fragte sie leise.
»Auf Gottes Trost.«
• •
Johann konnte und wollte nicht glauben, was Clemens ihm über seine Tochter erzählte. Sofort sattelte er sein Pferd und ritt nach Fraulautern. Als er die Pforte der Abtei erreichte, wurde es bereits dunkel. Wie verzweifelt muss Magdalena sein, dass sie Nonne werden möchte, dachte er und zog mehrmals hintereinander am Seil der Glocke. Johann wusste, dass zur vorgerückten Stunde keine Fremden mehr ins Kloster eingelassen wurden – erst recht keine Männer. Doch er hoffte, dass man für ihn eine Ausnahme machen würde.
Endlich erschien der Kopf einer Nonne in dem kleinen Fenster. Ohne ihn anzusehen versuchte sie ihn abzuwimmeln. »Kommt morgen wieder!«
»Ich bin Magdalenas Vater, Johann Bonner«, erklärte er.
Die Ordensschwester blickte ihn kurz an und verschwand. Johann ahnte, dass sie zurück ins Haus lief, um der Äbtissin Bericht zu erstatten. Schon bald hörte er eilige Schritte.
Mit sorgenvollem Blick betrachtete Johann kurz darauf seine schlafende Tochter. Er streckte seine Hand aus, um ihr zärtlich übers Haar zu streicheln, doch kurz davor zuckte er zurück. Ungläubig schüttelte er den Kopf. »Was soll ich nur machen?«, fragte er Maria, die neben ihm in der Zelle stand, welche sie dem Mädchen für die Nacht zugewiesen hatte.
Die Äbtissin, deren Hände in den weiten Ärmeln ihrer Nonnenkutte verschränkt waren, machte ein ernstes Gesicht. Nur ihre Mundwinkel zuckten, als sie mit einer Gegenfrage antwortete: »Meinst du, ob du deine Tochter ins Kloster stecken sollst?« Johann ging auf ihren Scherz nicht ein, sodass sie ernst ergänzte: »Sie wird dir folgen, Johann, ebenso wie Franziska es tun wird.«
»Was macht dich so sicher?«
»Sie lieben dich!«
Johann schüttelte verzagt den Kopf. »Ich würde es gerne glauben, aber Magdalena hat das aufmüpfige
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