Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
sah, war er froh, dass es ihn nicht dorthin verschlagen hatte. Diese Ortschaft war durch den langen Krieg schwer gebeutelt worden. Wiederholte Plünderungen, Einquartierungen fremder Truppen und Zwangsabgaben von Lebensmitteln hatten die Einwohner ausgesaugt. Seit fünf Jahren mussten auf Befehl von General Tilly, der Heerführer der katholischen und Generalleutnant der kaiserlichen Truppen war, Duderstadt und seine Ratsdörfer jährlich einundzwanzigtausend Reichstaler zahlen, womit auch Gerblingerode gezwungen war, seinen Teil beizusteuern. Da die Bewohner kaum Geld besaßen, mussten sie sich verpflichten, einen Teil der Schuld in Lebensmitteln abzugelten. »Es trifft immer die Falschen!«, dachte Jodokus und galoppierte davon.
Als er Duderstadt vor sich sah, begann es zu schneien. Erneut trat er dem Pferd in die Seiten und trieb es an. Er ließ die Stadt links liegen und ritt über Wiesen und Äcker in Richtung Mingerode. Obwohl er durchgefroren war und kaum noch Füße und Hände spürte, freute er sich, seinen Heimatort wiederzusehen.
Jodokus lenkte die Stute vor das einzige Wirtshaus, saß ab und brachte das Pferd hinter die schäbige Hütte in einen Verschlag, wo es trocken stehen würde. Nachdem er es versorgt hatte, trat er hinaus ins Freie. Das Schneetreiben hatte zugenommen und ließ Jodokus erschauern. Rasch ging er ins Wirtshaus, nahm seinen Umhang ab und schüttelte ihn in der Tür aus.
»Mach das Loch zu«, blaffte ihn der Wirt an. »Sonst geht die Wärme verloren.«
Jodokus schloss wortlos die Eingangstür, ging zu einem kleinen Tisch an der Wand und nahm Platz.
»Das glaube ich nicht«, sagte der Wirt und schaute seinen einzigen Gast prüfend an. »Der Herr Großbauer gibt mir die Ehre.«
»Halt’s Maul, Hilarius, und schenk mir ein Bier ein.«
Der Wirt schüttelte ungläubig den Kopf, ging zur Theke und zapfte zwei Krüge Gerstensaft. »Vor drei Tagen aus dem Wasser der Brehme in Duderstadt gebraut«, erklärte er grinsend und setzte sich zu Jodokus an den Tisch. »Wohl bekomm’s«, sagte er und prostete ihm zu. »Dir muss es mächtig im Hintern jucken, wenn du nach so langer Zeit und bei solchem Sauwetter nach Mingerode kommst.«
Jodokus stellte seufzend den Krug ab und wischte sich mit beiden Händen durchs Gesicht. »Ja, es ist eine Weile her, seit ich hier war. Dass es zu schneien beginnt, habe ich nicht ahnen können, schließlich ist Frühling.«
Der Wirt lachte freudlos auf. »Leider weiß das der Frühling noch nicht. So kalt wie in den letzten Tagen war es um diese Jahreszeit schon lange nicht mehr. Man munkelt, dass die Frau des alten Schäfers Schadenszauber über das Eichsfeld gelegt hat. Sie wurde verhaftet und der peinlichen Befragung unterzogen. Sobald sie gesteht, wird sie verbrannt, und dann wird es Frühling werden.«
Jodokus blickte erschrocken auf und winkte ab. »Dann wäre ihre schwarze Magie die mächtigste, von der ich bis jetzt gehört habe. Wäre sie schuldig, hätte sie mit dem schlechten Wetter sich selbst und ihrer Schafherde geschadet.«
Der Wirt nickte. »Vielleicht hast du recht. Wer weiß, welche Mächte ihre Finger im Spiel haben«, meinte er nachdenklich. »Womöglich nennt die Schäferfrau bei der Befragung die Namen anderer Hexen, die Unzucht mit dem Teufel getrieben haben. Dann werden eben diese brennen. Hauptsache, der Schadenszauber wird aufgehoben.«
»Steht Mingerode immer noch im Hand- und Spanndienst von Duderstadt und muss Galgen stellen und Brennholz für die Scheiterhaufen liefern?«
Der Wirt nickte und schimpfte: »Ich hoffe, dass unsere Kinder sich eines Tages dagegen auflehnen werden und wir dann nicht länger als Handlanger des Henkers gelten.« Doch dann entspannte er sich und fragte: »Was hast du in Mingerode zu schaffen?«
Jodokus verzog die Mundwinkel, und der Wirt grinste.
»Hast wohl Krach mit deiner Alten«, schlussfolgerte er. Als er Jodokus’ Gesichtsausdruck sah, feixte er: »Hättest eine von hier heiraten sollen. Die Auswärtigen sind nichts für unsereinen.«
»Red keinen Unsinn. Karoline ist eine gute Frau. Eine bessere hätte ich nirgends finden können.«
Hilarius zog zweifelnd die Stirn in die Höhe. »Ich habe gehört, dass euch die Menschen in Hundeshagen meiden, da sie vor deiner Alten Angst haben und sich vor den Folgen des Hexenschwurs fürchten.«
Jodokus schloss für einen Augenblick die Augen und schüttelte den Kopf. »Ich kann es nicht mehr hören«, murmelte er und sah den Wirt missmutig an. »Die
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