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Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Der Hexenschwur: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenschwur: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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schlängelte. Magdalena ging in die Hocke und schöpfte mit der hohlen Hand Wasser, dessen Kälte wie Nadelstiche auf ihrer Haut pikste. Nachdem sie einige Schlucke getrunken hatte, stand sie auf und blickte sich um. Zwischen Laubbäumen versteckt, entdeckte sie eine Gruppe Fichten, die in einer geraden Linie nebeneinander wuchsen. Wie mit einer Richtschnur gezogen, dachte Magdalena und ging zu den Bäumen. Sie hob eine Ecke ihres Umhangs an und sammelte darin die zartgrünen frischen Zweige. Als sie genügend Triebe abgezupft hatte, blickte sie um sich und versuchte sich den Weg ins Gedächtnis zu rufen, den sie gekommen war. Sie umklammerte den Stoff des Umhangs und rannte los.
    Endlich lichteten sich die Baumreihen, und sie sah schemenhaft die Umrisse der Scheune, als laute Stimmen und ein Schrei zu ihr drangen. Magdalenas Herz begann zu rasen, und sie blieb abrupt stehen. Mit angehaltenem Atem lauschte sie den Geräuschen. Sie hörte Männer grölen und jemanden weinen.
    Magdalena wagte es kaum weiterzuatmen. Zitternd und auf Zehenspitzen schlich sie zu der äußeren Baumreihe. Sie drückte einige Äste zur Seite, damit sie freie Sicht auf das Gehöft hatte. Was sie sah, ließ ihr das Blut in den Adern gefrieren.
    Ein Mann, der eine Soldatenuniform trug, zog ihren weinenden Bruder vom Fuhrwerk. Seine Arme hielten Benjamin fest umklammert, während er ihm lachend durch das Gesicht leckte. Ein anderer zog ihre Mutter an den Haaren von der Ladefläche und hinter sich her. Sie weinte und schlug um sich. Als sie den Fremden traf, fluchte er laut und verpasste ihrer Mutter einen heftigen Schlag ins Gesicht, sodass sie zusammensackte und schlaff in seinen Armen hing. »Das hast du davon, Metze!«, brüllte er.
    »Wo ist Vater?«, murmelte Magdalena und kämpfte mit den Tränen. Sie ließ ihren Blick über das Gehöft rasen. Als sie ihn nicht fand, wurde ihr übel.
    Dann sah sie ihn doch, und ihre Augen weiteten sich entsetzt. »Vater!«, winselte sie und wollte vor Entsetzen losschreien, als sich von hinten eine Hand über ihren Mund legte und ihren Schrei erstickte.

• Kapitel 21 •
    Bereits vor Morgengrauen war Jodokus von Hundeshagen zum Hülfensberg aufgebrochen. Seit vielen Jahren marschierte er einmal im Monat zu der Wallfahrtsstätte, wo er in der kleinen Kapelle vor dem Gnadenkreuz betete. Selbst bei schlechtem Wetter meisterte Jodokus diese Strecke zu Fuß, obwohl er dorthin hätte reiten können. Besonders der steile Weg am Hülfensberg, über den man zur Kapelle gelangte, war sehr beschwerlich und ließ ihn keuchen. Doch für Jodokus kam diese Anstrengung einer Buße gleich. Zwar wusste er nicht, wofür er Reue zeigen sollte, denn er war ein guter Christ, der weder stahl noch log oder betrog. Dennoch glaubte er, dass es nicht schaden konnte, Gott seine Demut zu zeigen. Im Geheimen aber hoffte Jodokus auf ein Wunder, dass diese selbst auferlegte Buße den Heiland bewegen würde, ihm eines Tages den kleinen Michael zurückzubringen. Stand nicht in der Bibel schon geschrieben, dass Jesus Wasser in Wein verwandelt hatte? Warum sollte es solch ein Wunder nicht auch in seinem Fall geben, und sein Sohn würde heimkehren?
    Auf dem Rückweg vom Hülfensberg hatte Jodokus versucht, die quälenden Gedanken zu verdrängen. Schließlich war es ein besonderer Tag, denn er machte einen Umweg über Breitenbach. Wie viele Ortschaften auf dem Eichsfeld war auch diese durch die Wirren des Krieges fast menschenleer geworden. Etliche Häuser standen verwaist und verfielen im Lauf der Zeit. Eine gespenstische Stille lag in den verlassenen Straßen. Wo einst Kinder gespielt, Frauen getratscht, Hunde unter Bäumen gelegen und Schweine sich im Dreck gesuhlt hatten, herrschten jetzt Schweigen und Einsamkeit. Die anhaltenden Kämpfe hatten das katholische Eichsfeld, das die nördlichste Exklave von Kurmainz war, schwer in Mitleidenschaft gezogen. In unregelmäßigen Abständen waren die protestantischen Heere der Schweden und der Dänen, die katholischen Truppen der Hessen, der Sachsen und der Kaiserlichen scharenweise durch diesen Landstrich in Thüringen gezogen, um sich mit Proviant zu versorgen. Die Truppen plünderten, brandschatzten und nahmen, was ihnen nicht gehörte. Sie stahlen den Eichsfeldern das Korn zum Säen und das wenige Vieh, das sie schlachten konnten. Schlechtes Wetter verursachte außerdem Missernten, sodass das Getreide auf den Äckern verfaulte und viele Menschen verhungerten. Manche starben an der Pestilenz

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