Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Arbeit. »Diesen Kittel, den ich mit Liebe verziere, wird nicht Michael tragen, sondern das Dämonenkind«, sprach sie zu sich selbst und griff nach der Schere, um ihr Werk zu zerschneiden.
Aber das weißt du doch, schien ihr eine innere Stimme zu entgegnen. Michael ist fort und wird nicht wieder zurückkommen. Statt seiner lebt nun der Wechselbalg in deinem Haus, glaubte sie eine Stimme flüstern zu hören. Sie ließ die Schere fallen, als ob sie glühte. »Ich werde wahnsinnig!«, wisperte sie und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Ihre Gedanken ließen sich nicht ordnen und sprangen hin und her. Eine vereinzelte Träne rollte über ihre Wange, die sie wegwischte, um erneut auf das verzierte Kleidungsstück zu blicken. Karoline besah sich ihre Arbeit. »Es kann nichts Schlechtes daran sein, wenn das Wesen einen neuen Kittel bekommt, zumal sein alter viel zu kurz geworden ist«, beruhigte sie sich selbst und vollendete ihre Arbeit. Dann stand sie entschlossen auf, zog den Schlüssel aus ihrem Ausschnitt hervor und ging zur Kellertür.
Das Kind zerrte an der Kette, aber das Eisen gab nicht nach. Mit angehaltenem Atem blickte es zu dem Loch oben in der Decke empor und wartete, ob es wieder das Zwitschern hören konnte. Doch es vernahm nur das Pfeifen des Windes, und diese Geräusche gefielen ihm nicht. Stattdessen drang kalte Luft aus der Deckenöffnung, sodass es erbärmlich fror.
Es krabbelte zurück auf sein Lager und versuchte, mit seinem Kittel die Füße zu bedecken, doch der Stoff reichte nicht aus. Auch die Decke war zu kurz, denn wenn es sie um die Beine schlang, fehlte sie an seiner Brust. Klagend rutschte das Kind näher zur Wand, als sein Bauch ein knurrendes Geräusch von sich gab. Es schaute zur Treppe, als der Schlüssel im Schloss knackte. Vor Freude wackelte das Kind mit dem Kopf hin und her.
Karoline stieg die Stufen hinunter und spürte die Kälte, die im Keller herrschte. Auch roch sie den Gestank von Moder und Kot, sodass sie angewidert die Nase rümpfte und durch den Mund atmete. Als sie das zitternde Kind erblickte, das sich frierend über die Arme rieb, sagte sie: »Der Schnee hat den Winter zurückgebracht.« Doch sie wusste, dass es auch im Hochsommer im Keller kühl und feucht bleiben würde. Karoline ging auf das Kind zu, das sie wie jedes Mal mit leerem Blick ansah. Sie räusperte sich einige Male, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, und hielt ihm den neuen Kittel vors Gesicht.
»Für dich«, sagte sie und befahl: »Zieh ihn an!«
Als der Balg sich nicht regte, sondern weiter vor sich hin stierte, warf sie ihm den Stoff zu und ging zur Treppe.
Sofort grunzte das Kind: »Mutr!«
Karoline verharrte in ihrer Bewegung und schloss für einen Augenblick die Augen. Das hast du von deiner Gutmütigkeit, Karoline Schildknecht, schimpfte sie in Gedanken mit sich und wandte sich dem Kind wieder zu. »Du bist wohl zu blöd, um dir den Kittel überzustreifen«, blaffte sie und hob das Kleidungsstück auf. Sie zeigte ihm, dass es die Arme zur Decke strecken sollte.
Das Kind ahmte mühsam die Bewegung nach. Als Karoline jedoch den alten Kittel anfasste, um ihn über seinen Kopf zu ziehen, schlug es schreiend um sich.
Karoline ließ erschrocken von ihrem Vorhaben ab und sah, wie sich das Kind mit schreckensweiten Augen so dicht an die Wand presste, als ob es hineinkrauchen wollte. Sie schaute den Balg grimmig an, denn sie verstand nicht, warum er sich so aufführte. »Warum schreist du, statt dich zu freuen? Schließlich habe ich mir Mühe gegeben und für dich diesen Kittel genäht. Doch du bist undankbar und willst das neue Kleidungsstück nicht anziehen.« Karoline war enttäuscht, dass das Kind sie nur regungslos anstarrte und den schmutzigen Daumen in den Mund steckte. Als plötzlich sein Magen laut knurrte, musterte Karoline es ungläubig. »Es kann nicht sein, dass du schon wieder Hunger hast. Du hast erst dein Frühmahl bekommen«, stöhnte sie. Sie musterte das Kind, das den Oberkörper hin und her wiegte. »Vielleicht zeigst du mehr Begeisterung, wenn du satt bist«, sagte sie seufzend und stieg die Treppe hinauf.
Kaum schloss sich die Tür hinter ihr, zog der Balg den neuen Kittel über seine kalten Füße.
Seltsam, dachte Karoline, als sie die Steckrüben zerkleinerte. Zeitweise hat es den Anschein, als ob das Dämonenkind kleinwüchsig bliebe, doch dann schießt es in die Höhe. Nur dicker wird es nicht, und dabei stopft es unentwegt Essen in sich hinein. Jetzt ist
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