Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
nicht einmal Mittag, und sein Magen knurrt schon wieder, obwohl es heute früh eine große Schüssel voller Brei gegessen hat. Das Dämonenkind frisst uns, wie Jodokus sagt, die Haare vom Kopf.
Sie briet gerade Speck in einer Pfanne, als ihr Mann die Küche betrat. Mit mürrischem Blick sah er auf das geschnittene Gemüse. »Schon wieder Steckrübeneintopf«, stellte er fest und brummte: »Das Futter kommt mir mittlerweile zu den Ohren heraus.«
»Heute werde ich es mit geschmolzenem Fett verfeinern«, erklärte Karoline und versuchte zu lächeln. Als sie seinen abweisenden Gesichtsausdruck sah, fügte sie bissig hinzu: »Es ist nicht meine Schuld, dass unsere Speisekammer nach diesem langen und harten Winter fast leer ist.«
Jodokus blickte auf und seufzte. »Es wird Zeit, dass sich das Wetter ändert, damit wir die Felder bestellen und den Garten bepflanzen können. Doch solange es so kalt ist, erfriert uns alles.«
Plötzlich stutzte er. »Es ist noch keine Mittagszeit, und du kochst bereits das Essen. Hast du etwas vor, wovon ich nichts weiß?«
Karoline senkte den Blick in den Kochtopf und rührte emsig in der Brühe. Sie wusste, dass Jodokus auf eine Antwort wartete, denn er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Was verschweigst du mir?«
»Nichts, mein Lieber! Ich wollte nur fertig sein, falls du früher Hunger bekommen solltest.« Sie wusste, dass ihre Antwort nicht überzeugend klang. Deshalb erklärte sie kleinlaut: »Der Balg hat großen Hunger. Ich denke, er wächst wieder.«
Kaum hatte sie die Wahrheit ausgesprochen, schlug ihr Mann mit der Faust auf den Tisch, sodass sie zusammenzuckte. »Ich kann dieses Wort nicht mehr hören!«, schrie er. »Und ich will es auch nicht mehr hören. Erwähne ihn in meinem Beisein nie wieder, sonst vergesse ich mich! Hast du mich verstanden?«
Karoline nickte.
Jodokus sah das kreidebleiche Gesicht seiner Frau und ließ die Arme sinken. Mit müden Bewegungen strich er sich durch sein ergrautes Haar. Was soll nur aus uns werden?, dachte er, und seine Augen wirkten traurig.
»Ich werde an die frische Luft gehen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Vielleicht gelingt es mir, in der Nisse einen Fisch zu fangen, damit wir endlich wieder etwas Anständiges essen«, sagte er und verließ mit hängenden Schultern die Küche.
Kaum schloss sich die Tür hinter ihm, ließ sich Karoline auf einen Stuhl fallen. Als sie spürte, wie ihre Nasenflügel von den aufsteigenden Tränen brannten, presste sie die Lippen aufeinander. »Nein, ich werde nicht heulen. Jodokus kann nicht so tun, als ob er das Leid der Welt allein auf den Schultern tragen würde. Auch ich leide, auch ich trauere täglich über den Verlust unseres Sohnes. Deshalb kann ich das Dämonenkind aber nicht verhungern lassen«, entschied sie und warf die Steckrübenstücke in die Brühe.
Mit der Schüssel, in der der heiße Steckrübenbrei dampfte, stieg sie vorsichtig Stufe für Stufe hinunter in den Keller.
Der Balg saß an der gleichen Stelle, so als ob er sich die ganze Zeit nicht bewegt hätte. Starr blickte er auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand und nuckelte am Daumen. Er schien nicht wahrzunehmen, dass Karoline zurückgekommen war. Da sie wusste, dass das Dämonenkind kein Gespür für die Wärme der Speisen hatte und sich regelmäßig daran den Mund verbrannte, setzte sie sich auf die untere Treppenstufe und wartete, bis der Brei abkühlte. Hatte es schon immer solche blauen Augen?, überlegte Karoline, als sie das Gesicht des Balgs betrachtete. Seine hellen Haare, die sie an ihren Sohn erinnerten, reichten ihm bis zum Gesäß. Die Locken waren strähnig und verfilzt und sicher voller Ungeziefer. Man müsste ihn baden und ihm den Kopf scheren, überlegte Karoline. Sie verwarf den Gedanken aber schnell wieder, als sie daran dachte, wie ihr Mann reagieren würde. Jodokus müsste mir helfen, aber ihn brauche ich nicht zu fragen, dachte sie und stellte dem Wesen die Schüssel mit dem lauwarmen Brei vor die Füße. »Iss, damit ich dir endlich den Kittel überziehen kann.«
Während sie wartete, dass der Balg den Brei aufaß, setzte sie sich wieder auf die Treppenstufe und besah sich den Keller. Man müsste ihn reinigen, überlegte sie, als ihr Blick auf die schimmligen Essensreste fiel. »Aber wozu? In Kürze würde es wieder genauso aussehen«, murmelte sie, denn Dämonen aßen nur mit den Fingern. Mit einem Löffel wusste der Balg nicht umzugehen. Beim Versuch, mit einem Löffel zu
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