Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
essen, landete der Brei auf dem Boden und an den Wänden, nur nicht in seinem Schlund. Zwar hatte Karoline sich vor einiger Zeit einmal die Mühe gemacht, ihm zu zeigen, wie man einen Löffel benutzte. Schließlich hätte sie auch ihrem Sohn Michael die Handhabe des Essbestecks beibringen müssen. Aber bei dem Dämonenkind war jeder Versuch vergebens, und so hatte sie es entnervt aufgegeben. Seitdem stopfte sich der Balg das Essen mit allen Fingern gleichzeitig in den Mund und schmierte den Rest an die Wände, an seinen Körper, in die Haare, an die Decke – einfach überallhin. Deshalb roch es unten im Keller nicht nur nach seinen Fäkalien, die in jeder Ecke lagen, sondern auch nach verdorbenem Essen und nach Erbrochenem, denn der kleine Dämon hatte kein Gefühl dafür, wie weit er die Finger in den Hals stecken konnte, ohne würgen zu müssen.
Angewidert schaute Karoline das Kind an, das sich wieder den Brei in den Mund hineinstopfte, während ein Teil des Steckrübenmuses sein Gesicht verklebte. »So kann ich dir den neuen Kittel nicht überziehen. Du bist über und über mit Essen verschmiert«, sagte sie und ging nach oben, um kurz darauf mit einem feuchten Tuch zurückzukommen.
Sie nahm dem Kind die leere Schüssel fort und stellte sie außer Reichweite. Dann griff sie sich seine dünnen Ärmchen, sodass es nicht um sich schlagen konnte, und wischte mit hastigen Bewegungen über sein Gesicht und die Finger.
Das Kind wusste nicht, wie ihm geschah, und keuchte vor Schreck und Aufregung. Es sah Karoline entsetzt an und versuchte den Kopf wegzudrehen. Aber als es merkte, dass es sich nicht wehren konnte, brüllte es so heftig, dass es hustend nach Luft ringen musste. Tränen liefen über seine Wangen, die von dem reibenden Tuch feuerrot waren und brannten.
Karoline betrachtete sich das Gesicht. Als sie keine Reste des Breis mehr sehen konnte, ließ sie die Hände des Kindes los. Sogleich kroch es zur Wand.
»Stell dich nicht so an«, schimpfte sie. »Ich kann dir den neuen Kittel nicht über das verschmierte Gesicht ziehen.« Erneut nahm sie das Kleidungsstück hoch und zeigte es dem Kind. Ihre Finger fuhren über die Ziernaht am Kragen. »Sieh, wie schön das geworden ist. Ich werde dir helfen, den Kittel überzuziehen.«
Erneut hob Karoline ihre Arme in die Luft, um dem Balg zu zeigen, dass er es ihr gleichtun sollte. Verängstigt folgte der Blick des Kindes ihrer Bewegung.
»Nun mach schon! Wenn Jodokus mich bei dir erwischt, bekomme ich wieder Schelte«, bettelte sie.
Und tatsächlich hob das Kind seine Arme in die Höhe. Schluchzend ließ es zu, dass Karoline ihm den verdreckten Kittel auszog und den neuen über den Kopf stülpte. Dann drückte es sich sofort wieder gegen die Wand.
Karoline musterte das Kind. »Wenn dein Gesicht gewaschen ist, siehst selbst du menschlich aus.« Sie trat einen Schritt zurück und überlegte: »Man müsste auch deine zottelige Mähne scheren. So siehst du aus wie ein wildes Tier«, sagte sie und ging kopfschüttelnd wieder nach oben.
• Kapitel 26 •
Erik und Arne hoben Franziska vorsichtig vom Fuhrwerk. Sie war immer noch ohne Bewusstsein und lag schwer in Arnes Armen. Der Schwede brachte die Schwerkranke mit festen Schritten zu seinem Zelt, das am Rand des Lagerplatzes stand.
Magdalena blickte ihnen hinterher und half dann ihrem Vater, vom Wagen zu steigen. Besorgt schaute sie zu Benjamin, als Erik ihre Gedanken zu ahnen schien und ihr anbot: »Bring deinen Vater zu Arne. Ich kümmere mich um den Kleinen.«
Das Mädchen nickte Gustavsson dankend zu und hakte sich bei ihrem Vater unter, da er unsicher auf den Beinen stand. Sie führte ihn langsam über den aufgeweichten Platz und merkte dabei nicht, dass die Menschen im Lager sie neugierig betrachteten.
Arne schien Magdalena und ihren Vater zu erwarten, denn kaum waren sie bei dem Zelt angekommen, rief er: »Kommt herein!«
Magdalena schob den Vorhang zur Seite und sah ihre Mutter auf einer Bettstatt liegen. Langsam führte sie ihren Vater, der heftig schnaufte, ins Zelt. Arne sah ihn besorgt an und zeigte auf einen Schemel, der neben dem Bett stand.
»Setz dich, guter Mann. Wie lautet dein Name?«, fragte er freundlich.
»Johann«, krächzte Magdalenas Vater und sah den Fremden misstrauisch an. Dann ließ er sich stöhnend auf dem Hocker nieder. Arne stellte sich ebenfalls mit Namen vor, während er die Wunde am Hals sorgfältig untersuchte. Johann nickte mit ablehnendem Blick. Als Arne mit den
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