Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
den Sinn kam.
Ein spöttisches Lächeln verzog leicht ihre Mundwinkel. »Man muss sich den Feind zum Freund machen. Dann hat man die Möglichkeit, nach seinen eigenen Regeln zu spielen«, flüsterte sie und schaute in die Richtung, in die Arne verschwunden war. »Und sollte das nicht gelingen, weiß ich, wer mir dabei helfen wird«, schwor sie und ging zurück in ihr Zelt.
• Kapitel 29 •
Franziska merkte, wie ihre Tochter ins Zelt schlüpfte und sich auf dem Boden vor ihrer Bettstatt ausstreckte. Auch hörte sie, wie Magdalena leise schimpfte. Doch schon bald verriet ihr gleichmäßiger Atem, dass sie schlief, während Johann leise schnarchte.
Franziska versuchte, tief durchzuatmen, und musste husten. Das Wurstkrautöl, mit dem Magdalena ihre Haut eingerieben hatte, schien zu wirken und ihre Lunge zu befreien. Auch der Weidenrindensaft und der Kreuzblumensud halfen, denn sie fühlte sich nicht mehr so schwach. Als der Hustenanfall abgeklungen war, schloss Franziska die Augen und holte die Bilder zurück, die sie in ihrer tiefen Bewusstlosigkeit gesehen hatte. Sie erinnerte sich an ein wunderbares Gefühl, als sie in gleißendem Licht durch einen Tunnel gewandelt war und am Ende ihr verstorbenes Kind, das sie so sehr vermisste, erblickte. »Johannes!«, flüsterte sie wieder, und sogleich füllten sich ihre Augen erneut mit Tränen. Nun, bei Bewusstsein, musste Franziska erkennen, dass die Bilder ein Fiebertraum gewesen waren. Ihr wurde im selben Augenblick mit Schrecken bewusst, mit welcher Gleichgültigkeit sie seit dem Tod von Johannes ihren Mann und ihre Kinder Magdalena und Benjamin gequält hatte.
»Was habe ich ihnen angetan?«, weinte Franziska leise und vergrub ihr Gesicht tief in beiden Händen, damit Mann und Tochter durch ihr Schluchzen nicht geweckt wurden.
Johannes’ Gesichtchen schob sich erneut in ihre Gedanken. Der Knabe war ihr in dem Augenblick im Licht erschienen, als sie bereit war, darin zu versinken. In ihrem Fiebertraum hatte der Junge vor ihr gestanden und sie mit seinen hellen Augen angelächelt.
Sie wollte ihn mit ausgebreiteten Armen auffangen, doch er bewegte sich nicht und lächelte sie nur weiter an. Franziska sah, dass Johannes das schöne Kind geblieben war, als das er in ihrer Erinnerung lebte. Als er gestorben war, konnte er gerade laufen, und in ihrem Fiebertraum stand er mit seinen kleinen dicken Beinchen vor ihr, obwohl er doch längst so groß und so alt sein musste wie Benjamin, sein Zwillingsbruder.
Franziska lächelte unter Tränen. Im selben Augenblick erfasste sie tiefe Traurigkeit. Weil der lebende Bruder dem toten Zwilling so sehr glich, hatte sie Benjamin ihre Liebe vorenthalten. Franziska wurde schmerzhaft bewusst, dass sie ihrem Jungen vorwarf, dass er leben durfte, während sein Bruder hatte sterben müssen.
»Mein kleiner Johannes hat mir die Augen geöffnet«, murmelte sie erschöpft, aber von einer großen Last befreit.
• •
Magdalena erwachte und setzte sich sofort auf, um nach ihrer Mutter zu schauen.
Franziska sah sie aus klaren Augen an und lächelte.
»Geht es dir besser?«, fragte das Mädchen leise, und ihre Mutter nickte.
Zur gleichen Zeit betrat Johann das Zelt und brachte einen Teller mit Essen und einen Becher Kräutersud. Als er Franziska aufrecht im Bett sitzen sah, presste er seine Lippen aufeinander, da seine Gefühle ihn zu übermannen drohten. Mit glänzenden Augen ging er zu ihr und küsste sie auf die Wange.
»Schön, dass du wohlauf bist«, flüsterte er heiser. Dann räusperte er sich und murrte: »Die Schweden essen seltsames Brot.« Er zeigte die dünnen Scheiben und hielt sie ins Licht. »Sie platzen auseinander, sobald man sie anfasst.«
»Wir müssen ihnen dankbar sein«, erklärte Franziska leise und lächelte ihren Mann an.
»Trotzdem sind sie unsere Feinde«, erklärte Johann grimmig und fügte versöhnlich hinzu: »Wenigstens sind sie protestantisch.«
»Wo ist Benjamin?«, fragte Franziska.
»Er sitzt bei den Schwedenkindern und nimmt sein Frühmahl mit ihnen ein. Sicher auch dünnes Brot«, antwortete Johann. »Ich werde ihnen Speck geben. Vielleicht haben sie Eier, die sie dazu braten können. Das wäre ein anständiges Frühmahl für dich, um gesund zu werden, aber nicht dieses Brot«, brummte er und stapfte wieder hinaus. Am Eingang drehte er sich zu seiner Frau um und sagte: »Ich bin froh, dass es dir besser geht.«
Franziska blickte ihrem Mann nachdenklich hinterher. So viel vergeudete Zeit, dachte
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