Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Zähnen.
»Mit Brot?«, fragte Magdalena ungläubig und biss in den Speck.
»Tunnbröd gibt es nur in Schweden.«
Das Mädchen biss in das Stück, und es zerbrach in weitere Teile. »Ich hoffe, ihr habt noch mehr, was euch an eure Heimat erinnert«, lachte sie.
Erik nickte. »Viele unserer Kinder sind in eurem Reich geboren und haben von Schweden keine Vorstellung. Deshalb versuche ich mit meinen Erzählungen, ihnen unsere Heimat näherzubringen.«
»Mein Bruder Benjamin kann es kaum erwarten, deine Geschichte zu hören. Er lernt sogar eure Sprache.«
»Es ist schön, dass unsere Kinder ihn den Überfall vergessen lassen. Viele der Jungen und Mädchen haben auch Schlimmes gesehen und erlebt. Aber in der Gemeinschaft kommen sie besser darüber hinweg.«
Magdalena blickte auf ihre angebissene Scheibe Speck. »Im Land an der Saar, wo wir lebten, haben wir von den schlimmen Dingen des Krieges nichts gesehen oder kaum etwas gespürt. Nur die Flugschriften haben darüber berichtet, aber alles schien weit weg zu sein.«
»Dafür muss man dankbar sein«, sagte Erik und fragte nachdenklich: »Warum seid ihr auf Reisen gegangen?«
Magdalena legte das Brot auf den Teller, den sie zur Seite stellte. »Wir sind auf dem Weg zum Eichsfeld, wo meine Eltern geboren wurden.« Das Mädchen stockte und schluckte.
Erik blickte sie nachdenklich an und wartete geduldig, bis sie weitererzählte.
»Mein Vater hofft, dass meine Mutter in ihrer alten Heimat vergessen wird, was in der Fremde geschah.«
Der Schwede sog gedankenverloren an seiner Pfeife und nickte schwach. Jetzt ergab Arnes Vermutung vom Vortag, dass Franziska keinen Lebenswillen mehr gehabt habe, einen Sinn und zeigte, dass er recht hatte.
»Was war das?«, fragte Gustavsson leise.
Magdalena sah zu ihm auf, und ihr Blick verschwamm. Doch bevor sie antworten konnte, kamen die Kinder angelaufen und setzten sich lachend und schwatzend ums Feuer. Benjamin nahm dicht neben seiner Schwester Platz und drückte sich an sie.
»Vad har du att berätta?« , rief ein Mädchen mit langen blonden Zöpfen.
»Du möchtest wissen, was ich euch erzähle?«, wiederholte Erik die Frage auf Deutsch, und die Kinder nickten.
»Da heute Benjamin und Magdalena unsere Gäste sind, werde ich die Geschichte ausnahmsweise nicht auf Schwedisch, der Sprache unserer Heimat, sondern auf Deutsch erzählen«, erklärte Erik Gustavsson. »Seid ihr damit einverstanden?«, fragte er die Kinder.
Alle nickten.
Erik klopfte gemächlich die Pfeife an einem Stein aus, um die aufgeregten Kinder zu beruhigen. Erst als alle Blicke auf ihn gerichtet waren, schaute er Magdalena und Benjamin an und erklärte ihnen: »Bevor ich mit meiner Geschichte beginne, müsst ihr Folgendes wissen: Einige unserer Legenden handeln davon, dass in schwedischen Wäldern eigenartige Wesen leben, die man Trolle nennt. Zwar kenne ich niemanden, der je einen Troll gesehen hat, aber da sich das Gerücht seit Jahrhunderten hartnäckig hält, müssen die Geschichten etwas Wahres erzählen.«
Er wandte sich nun den übrigen Kindern zu. »Es heißt, dass diese Geschöpfe riesig und nicht besonders hübsch sind. Sie sollen krumme und dicke Nasen sowie Warzen im Gesicht haben. Das verleiht ihrem Aussehen etwas Derbes. Auch haben Trolle, so erzählt die Legende, besonders große Hände und Füße.«
Als Gustavsson das Aussehen dieser Fabelwesen beschrieb, nahm er seine Hände zu Hilfe. »Ihre Haare sind zottelig und lang, sodass man die Trollfrau kaum vom Trollmann unterscheiden kann. Wenn diese Wesen auftauchen, richten ihre plumpen Schritte große Schäden in unseren Wäldern an. Ihr müsst wissen, dass die Kinder der Trolle ebenso hässlich sein sollen – so erzählt man sich jedenfalls –, und deshalb würden die Trolleltern sie gegen hübsche Menschenkinder austauschen.«
Als er während des Erzählens in die Gesichter seiner kleinen Zuhörer schaute, musste er schmunzeln, da sie ihn aus großen Augen aufgeregt anstarrten. Er stopfte sich seelenruhig seine Pfeife und flüsterte dann: »Von solch einem Wechselbalg handelt die Geschichte, die ich euch heute erzählen möchte.«
Magdalena spürte, wie die Kinder den Atem anhielten. Auch sie konnte es kaum erwarten, bis Gustavsson endlich die Geschichte zu erzählen begann, als sie im Augenwinkel eine Bewegung bemerkte. Das Mädchen blinzelte in die Richtung und erkannte Arne, der sich nur wenige Schritte von ihr entfernt hinsetzte. Sofort spürte Magdalena, wie Röte in ihre
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