Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
heran, während die schluchzende Magdalena über seine Schulter die Mutter anschaute.
»Was ist mit meiner Frau?«
Arne blickte Johann betrübt an und zögerte, doch dann sagte er: »Ich glaube, Franziska ist auf dem Weg, unsere Welt zu verlassen.«
Kaum hatte er es ausgesprochen, presste sich Magdalena die Hand auf den Mund und weinte schreiend auf.
»Ist sie so schwer erkrankt?«, krächzte Johann und kämpfte mit den Tränen.
»Sie ist sehr krank, aber nicht sterbenskrank. Ich verstehe es nicht«, erklärte Arne hilflos und schaute Franziska kopfschüttelnd an. Grübelnd legte er den rechten Ellenbogen in die linke Hand und fuhr sich mit der rechten Hand über das unrasierte Kinn. Dann ging er einen Schritt vor, prüfte ihr Gesicht und ihre Augen und musterte ihren Ehemann. Nach mehreren Augenblicken wagte er Johann zu fragen: »Kann es sein, dass deine Frau nicht mehr leben will ?«
Johann schaute voller Entsetzen von Franziska zu Arne und wieder zu seiner Frau. »Wie meinst du das?«, begehrte er auf.
Der Schwede holte tief Luft, hob die Schultern und ließ sie gleich wieder fallen. »Es ist nur eine Vermutung. Ich erinnere mich, dass während meines Studiums die Frau meines Professors erkrankte. Sie lag ebenso da wie deine Frau – mit offenen Augen und einem Lächeln, als ob sie in eine andere, eine bessere Welt blicken würde. Die Kranke bekam die beste medizinische Versorgung, doch ohne Erfolg. Obwohl die Krankheit sie nicht getötet hätte, starb sie. Später hieß es, dass sie keinen Lebensmut mehr gehabt habe, weil ihr Sohn im Krieg gefallen war.« Arne schwieg und blickte Johann fragend an.
Johann schloss für einen kurzen Augenblick die Augen und nickte. »Es könnte in der Tat sein, dass sie nicht länger leben will«, flüsterte er und kniete auf dem Boden neben dem Lager seiner Frau nieder. Da entspannte ein Lächeln Franziskas Gesicht. Fragend blickte Johann zu Arne auf, der hilflos mit den Achseln zuckte. Johann griff nach Franziskas Hand und zog sie an seine Wange. »Tu mir das nicht an, Liebes. Bleib bei uns. Wenn du willst, gehen wir morgen schon zurück nach Wellingen. Ich mache alles, damit es euch gut geht, aber bitte verlass uns nicht«, stammelte er unter Tränen.
Doch Franziska starrte wieder regungslos mit weit aufgerissenen Augen zur Decke.
Plötzlich griff ihre Hand in die Luft, und ihre Augen bekamen einen leuchtenden Glanz. »Johannes!«, flüsterte sie und schloss die Lider.
»Nein!«, schrien Johann und Magdalena gleichzeitig auf.
Johann umfasste die Schultern seiner Frau, schüttelte sie und schrie: »Du darfst nicht gehen.«
Arne stieß ihn unsanft zur Seite, sodass er zu Boden fiel. Der Schwede legte sein Horchrohr, das er aus der Kiste genommen hatte, auf Franziskas Brust. Wegen des lauten Wehklagens war es ihm unmöglich, etwas zu hören, sodass er schnauzte: »Gebt Ruhe!«
Sofort wurde es still im Zelt.
Arne hielt die Luft an und horchte erneut. Dann atmete er laut aus, wieder ein und presste das Rohr gegen ihre Brust. Schließlich sagte er. »Sie lebt!«
Arne schaute Magdalena, deren Augen vom Weinen gerötet waren, lächelnd an. Johanns Gesicht, das tränenüberströmt war, sah ungläubig aus, doch Arnes Blick ließ keine Zweifel zu.
»Danke!«, murmelte Johann, als eine Stimme krächzte:
»Durst.«
Überrascht blickten alle zu Franziska, die die Augen offen hatte und unsicher umherblickte.
»Wo bin ich?«, fragte sie leise, und alle lachten befreit auf.
Arne und Johann hatten das Zelt verlassen, damit Magdalena den Brustkorb ihrer Mutter mit Wurstkrautöl einreiben, ihr frische Kleidung anziehen und ihr Kreuzblumensud und Weidenrindensaft einflößen konnte. Schließlich legte sich Franziska erschöpft zurück auf ihr Lager.
Magdalena strich der Mutter liebevoll über die Wange und küsste ihre Stirn. Dabei konnte sie nicht verhindern, dass ihr erneut Tränen in die Augen schossen.
»Weine nicht, Magdalena! Es wird alles gut«, flüsterte Franziska und schlief erschöpft ein.
Es war spät am Abend, als Magdalena ihre Mutter allein ließ und sich zu den Männern ans Feuer setzte.
»Du musst müde sein«, sagte ihr Vater leise und sah sie liebevoll an. Seine Tochter nickte. »Ja, das bin ich, aber ich kann nicht schlafen«, sagte sie und wischte sich über die Augen.
»Dagegen hilft ein Anisschnaps«, meinte Erik und wollte bereits einen Becher füllen, doch Magdalena hob abwehrend die Hände.
»Nein danke«, lachte sie lautlos.
»Ich werde einen
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