Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
Wangen schoss, sodass sie schnell ihren Kopf drehte und starr zu Erik blickte. Gern wäre sie aufgesprungen und gegangen. Aber sie wollte nicht auffallen, und so blieb sie sitzen.
Erik nickte Arne zu, entzündete seine Pfeife und begann zu erzählen: »Es war Winter, und die Landschaft dick mit Schnee bedeckt, als in einem Waldstück ein Troll-Ehepaar sein wenige Tage altes Trollkind betrachtete.
›Ist es nicht wunderschön?‹, fragte die Trollin ihren Mann und küsste die Stirn ihres Sohnes, als plötzlich Hufgetrappel zu hören war. Hastig versteckten sich die Trolle hinter einem breiten Baumstamm, als ein Mann auf seinem Pferd angeritten kam – gefolgt von seiner Frau, die ein Bündel im Arm hielt. Es handelte sich um ein reiches Bauernehepaar, das auf dem Weg zu den Eltern der Bäuerin war, um ihren neugeborenen Sohn vorzustellen.«
Erik sog mehrmals an seiner Pfeife und stieß den Qualm langsam aus. Dabei blickte er den Kindern fest in die Augen und flüsterte: »Vielleicht war es der Gestank der Trolle, der die Pferde ängstigte. Vielleicht aber auch ein fremdes Geräusch, das sie erschreckte. Wer kann das im Nachhinein sagen? Vieles wäre denkbar, warum die Pferde plötzlich ängstlich wieherten und mit den Vorderhufen in die Höhe stiegen, sodass die Bauersfrau vor Schreck aufschrie und ihr Kind in den Schnee fallen ließ. Als sie sah, wie es einen kleinen Abhang hinunterrollte, versuchte sie ihr Pferd zu beruhigen und zum Stehen zu bringen. Aber die Stute hörte nicht auf ihre Befehle und preschte mit ihr auf dem Rücken im gestreckten Galopp dem Bauern hinterher.
Unentdeckt von den Menschen hatten die Trolle den Vorfall beobachtet und nicht gewagt, sich zu bewegen. Erst nachdem die Bauern nicht mehr zu sehen waren, eilten sie zu dem Bündel und hoben das fremde Kind auf. Da es leise quengelte, zog die Trollfrau die Decke vom Gesicht des Kindes und erschrak. Verwundert blickte sie zu ihrem Mann, der das Kind entgeistert anstarrte.
›Solch ein schönes Kind habe ich noch nie gesehen‹, sagte die Frau leise und blickte von dem fremden zu ihrem eigenen Kind und zurück.
›Gegen das Menschenkind ist unser eigenes Kind hässlich anzusehen‹, flüsterte der Trollmann nachdenklich, als erneut Pferdeschnauben und Hufgetrappel näher kamen. Die Bauersleute hatten ihre Pferde zügeln können und waren umgekehrt, um ihr Kind zu suchen. Schon von Weitem hörten die Trolle den Bauern schimpfen: ›Wie kann man sein Kind verlieren?‹, und die Frau laut aufheulen: ›Ich habe unseren Sohn nicht mit Absicht fallen gelassen!‹
Die Trollfrau sah ihren Mann fragend an, der stumm nickte. Daraufhin wickelte sie ihren eigenen Sohn in die Decke des Menschenknaben und legte ihn auf den Boden, wo sie das fremde Kind gefunden hatte. Dann stampften sie mit dem Sohn der Bauersleute tief in den Wald und überließen ihr eigenes Kind seinem Schicksal.
Kaum hatte die Bauersfrau die Stelle erreicht, an der das Unglück geschehen war, hielt sie ihr Pferd an und sprang in den Schnee. Als sie leises Kinderwimmern hörte, rannte sie los und fand das Bündel, das sie überglücklich hochnahm. Als auch ihr Mann sie erreicht hatte, schlug er freudig die Decke zurück – und blickte in die hässliche Fratze des Trollkinds. Entsetzt schrien er und seine Frau auf, denn sie glaubten sofort zu wissen, dass man ihnen einen Wechselbalg untergeschoben hatte.
Der Bauer wollte das Trollkind zurücklassen, doch die Frau überzeugte ihn davon, den Knaben mitzunehmen. ›Wir können ihn nicht hierlassen, denn sonst werden wir unseren Sohn niemals zurückbekommen‹, weinte die Bäuerin. Da der Mann seine Frau liebte und ihr keinen Wunsch abschlagen konnte, stimmt er zu, den Wechselbalg mitzunehmen. In den folgenden Jahren wollte der Bauer mehr als einmal das hässliche Wesen loswerden und es in einen Abgrund hinabstürzen, es totschlagen oder verhungern lassen. Immer wieder konnte seine Frau ihn davon abhalten. ›Alles Gute und alles Schlechte, was wir dem Wechselbalg antun, wird auch unserem Sohn widerfahren.‹
Heimlich gab sie dem Knaben die besten Speisen zu essen, und als ihr Mann drohte, den Wechselbalg zu ertränken, brachte sie ihn in Sicherheit.
Der Verlust des eigenen Kindes hatte den Bauern früh altern lassen und ihm alle Lebensfreude genommen. Auch die Liebe zu seiner Frau war erloschen. Und so verließ er eines Morgens ohne ein Wort des Abschieds das Gehöft, um in die Fremde zu ziehen, als ihm auf dem Acker ein Jüngling
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