Der Hexenturm: Roman (German Edition)
allmächtigen Gott, seine lieben Heiligen und die Mutter Gottes verleugnen. Der Mann griff nach meiner Stirn und sagte, dass er mir mein Chrisam, mein Taufzeichen, wegnehmen müsse. Dann nahm er mich erneut.«
Ida nannte die Namen anderer Frauen, die angeblich mit ihr verführt worden seien. Ein Raunen ging durch die gaffende Menge.
Barnabas war neugierig geworden und sprach einen Mann an, der neben ihm stand. Da beide ihre Stimmen zu einem Flüstern senken mussten, konnte Servatius nichts verstehen. Nach einer Weile gab Barnabas schließlich dem Mönch und Maria ein Zeichen, ihm zu folgen.
Auf den Stufen einer Steintreppe, die zu einem der Wachtürme führte, legte Barnabas seinen Tragekorb ab und setzte sich nieder. Maria nahm neben ihm Platz, nur Servatius blieb stehen und fragte: »Ist dir nicht wohl, dass wir die Befragung verlassen mussten?« Der garstige Blick des Mönchs verriet dem Magier, dass ihm das nicht gefallen hatte.
»Hier gibt es für uns nichts zu tun.«
»Wie kommst du darauf?«
»Der Teufel hat die Frau weder zum Hexentanz mitgenommen noch zum Schadenszauber verführt. Sie nannte nur belanglose Dinge und beschuldigt keine Lebenden. Die, die sie nannte, sind alle bereits verstorben. Die Frau ist hart im Nehmen und wird keine anderen mit in den Tod nehmen wollen. Du hast doch gehört, dass sie selbst unter der Tortur standhaft geblieben ist.«
»Sie sollen mich mit dem Weibsbild allein lassen, dann wird sie schon gestehen, was sie jetzt noch leugnet.«
Barnabas schüttelte den Kopf. »Wir ziehen weiter. Zwar soll in den nächsten Tagen unter der Burglinde der Prozess gegen Barbel Lawers aus Merchingen stattfinden, doch auch dabei wird man unsere Hilfe nicht benötigen, da die Schuldigen bereits gefunden wurden. Die eigene Schwester Sunna hat sie angezeigt. Unter der Folter aber hat Barbel nicht nur die Schwester, sondern auch deren Sohn Lorenz der Hexerei bezichtigt. Alle drei werden zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt werden. Die Verhandlung ist nur eine Formsache.«
»Wohin werden wir jetzt gehen?«, fragte Maria mit kindlicher Miene.
»Wir werden das Saartal verlassen und Richtung Süden ziehen. Der Mann, mit dem ich gesprochen habe, riet mir, ins Köllertal zu gehen. Dort, in der Nähe des Ortes Wellingen, gäbe es einen bekannten Hexentanzplatz, der sich Hoxberg nennt. Wir sollen uns an den Amtmann von Püttlingen, Thomas Königsdorfer, wenden. Er, so sagte der Mann, sei über unsere Hilfe sicherlich erfreut.«
»Wie weit ist es bis ins Köllertal?«, wollte Servatius wissen, dem die Aussicht, bald wieder Arbeit zu haben, gefiel.
»Es sind nur wenige Tage bis dorthin«, antwortete Barnabas und war froh, dass Servatius nicht maulte.
»Bekomme ich dort das, was du mir versprochen hast?«, wollte Maria in forderndem Ton wissen. Barnabas stöhnte in Gedanken auf. »Ich weiß es nicht, mein Kind! Wir werden sehen«, antwortete er ausweichend. Dann schulterte er seinen Korb, nahm seinen Wanderstab auf und marschierte los.
Auf ihrem Marsch von der Saarschleife ins Köllertal gerieten sie in einen Regenschauer, der sie bis auf die Haut durchnässte. Am nächsten Tag fühlte sich Barnabas kraftlos und müde. Seine Stirn war mit kaltem Schweiß bedeckt, und wenn er Luft holte, rasselte es in seinen Lungen. Immer wieder mussten sie rasten, damit Maria ihm einen Sud aus Kräutern aufbrühen konnte. Das Mädchen drängte Barnabas, einige Tage auszuruhen, damit er wieder zu Kräften kommen könnte.
Servatius hingegen trieb zur Eile, da er befürchtete, dass die Hexen im Köllertal wie auf der Burg Montclair ohne sie abgeurteilt werden würden. »Wenn wir Püttlingen erreicht haben, kannst du dich tagelang ausruhen und dich von Maria bemuttern lassen. Ich kann den Angeklagten ohne euch den Trank verabreichen und sie so überführen«, versuchte Servatius den kranken Magier zu überzeugen.
Da griff Maria den Mönch am Ärmel und zog ihn beiseite.
»Barnabas ist schwer erkrankt! Seine Lunge ertrinkt im Schleim, der sich nicht lösen will. Er bekommt kaum noch Luft«, zischte sie und sah Servatius mit ihrem stechenden Blick böse an. Servatius zuckte trotz seiner Angst vor dem Mädchen ungerührt mit den Schultern und sagte: »Sieh mich nicht so an! Was kann ich dafür, dass der Alte krank ist? Bedenke, wenn Barnabas stirbt, hast du nur noch mich. Also lass mich in Ruhe und brühe ihm den Sud auf, damit wir weiterkommen. Ich habe keine Lust, hier Wurzeln zu schlagen.«
Das Mädchen
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