Der Hexenturm: Roman (German Edition)
presste die Lippen aufeinander und sagte: »Die heilsamen Kräuter sind fast aufgebraucht. Wir benötigen dringend frische!«
»Dann lass uns rasch weiterziehen, denn hier kann ich keine Heilkräuter entdecken«, höhnte Servatius.
Am Nachmittag erblickten sie einen Hof, der inmitten eines Waldes gelegen war. Die Aussicht, diese Nacht nicht im Freien verbringen zu müssen, beschleunigte Barnabas’ Schritte, obwohl es ihn seine restliche Kraft kostete.
Auf dem Gehöft wurden sie von drei großen schwarzen Hunden, die an Ketten lagen, böse angekläfft. Sogleich erschien der Bauer, der sie übel beschimpfte. Erst als Barnabas dem Mann ein Geldstück in die Hand drückte, hob sich seine Laune, und er erlaubte den drei Fremden, in seinem Heustall zu nächtigen.
Ermattet legte sich der Magier ins Stroh. Er reichte Maria eine weitere Münze und sagte mit kraftloser Stimme: »Kauf beim Bauern Speck und Brot.«
Besorgt blickte das Mädchen seinen Beschützer an, für den jeder Atemzug eine Qual zu sein schien.
Als Maria mit einem Stück alten Brots und drei verschrumpelten Äpfeln zurückkam, schimpfte Servatius: »Warum hast du keinen Speck mitgebracht?«
»Die Bauersleute haben selbst kaum zu essen.«
»Für das bisschen hast du die Münze hergegeben?«, schimpfte er.
»Wenn es dir nicht passt, dann geh zu ihnen und tausche dein Essen wieder um!«, schlug Maria ihm freundlich vor, was Servatius stutzen ließ. Er konnte jedoch nichts Hinterhältiges bei ihr feststellen. Als Barnabas sich aufbäumte, hustete und spuckte, sprang Maria sogleich auf, um ihm zu helfen. Erschöpft legte Barnabas sich zurück auf sein Lager und schloss die Augen.
Maria zog den Mönch zur Seite, was dieser nur widerwillig mit sich geschehen ließ.
»Die Bauersfrau sagt, dass wir ihm einen Sud aus Fichtennadelspitzen aufbrühen sollen. Das würde Wunder wirken.«
»Dann besorg welche!«
»Ich kann Barnabas nicht allein lassen. Ich muss ihm helfen, wenn er wieder hustet. Du musst gehen.«
»Bist du des Wahnsinns? Es wird bald dunkel.«
»Ich weiß, Servatius.« Marias Stimme bekam einen sanften, verständnisvollen Ton. »Ich weiß auch, was ich von dir verlange, doch es soll nicht zu deinem Schaden sein. Im Gegenzug werde ich dir das beibringen, was ich bereits über das Brauchen der Magier von Barnabas gelernt habe.«
Servatius’ Augen weiteten sich. »Ich wusste es!«, keuchte er. »Dieser hinterhältige Mensch hat dich mir vorgezogen! Warum soll ich ihm denn überhaupt die Fichtennadeln suchen? Soll er doch krepieren!« Servatius ballte die Hände und biss sich vor Wut in die Faust. Erst als er Blut auf seiner Zunge schmeckte, beruhigte er sich wieder. Maria beobachtete ihn aus den Augenwinkeln und sagte mitfühlend: »Ich kann deinen Ärger verstehen, Servatius! Ich möchte mich deshalb bei dir entschuldigen. Aber wenn du Barnabas jetzt hilfst, werde ich dafür sorgen, dass er dir das Brauchen beibringt. Du weißt, dass er auf mich hört.«
Servatius schaute Maria nachdenklich an. »Du versprichst es bei allen Heiligen, die du kennst?«, hakte er nach.
Das Mädchen nickte und lächelte ihn unschuldig an. »Wir müssen doch zusammenhalten.« Als Barnabas erneut zu husten begann, rief sie: »Du musst dich sputen, Servatius!«
»Aber was, wenn ich überfallen werde?«, jammerte der Mönch.
»Diese Befürchtung hatte ich auch. Deshalb habe ich die Bauersleute gefragt, aber sie beruhigten mich, denn in all den Jahren, in denen sie hier allein im Wald leben, sei nie etwas passiert.«
Servatius blickte das Mädchen forschend an und nickte: »Ich werde die Fichtennadeln sammeln, und du wirst mir ab morgen das Brauchen beibringen.«
»Ich danke dir, Servatius, und schwöre bei allen Heiligen, dass ich das tun werde!«, erklärte das Mädchen überschwänglich und umarmte den Mönch, der erschrocken rückwärtsging.
»Lass das!«, schimpfte er. »Hat die Bäuerin dir erklärt, wo die Fichten stehen? Ich konnte hier nur Laubbäume und alte Tannen sehen.«
»Du musst hinter dem Bauernhaus immer geradeaus gehen. An einem Steinkreuz sollst du in Richtung dieses Armes gehen.« Maria hielt den rechten Arm hoch. »Von dort ist es nicht mehr weit, bis du zu dem Hain aus jungen Fichten gelangst. Du darfst nur die weichen zartgrünen Nadeln nehmen, denn aus ihnen wird der heilende Sud aufgebrüht.«
Maria kramte in Barnabas’ Tragekorb und zog einen kleinen leeren Leinenbeutel hervor.
»Hier, Servatius, fülle diesen Beutel.
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