Der Hexenturm: Roman (German Edition)
kannst von Glück sagen, dass es heller Tag ist. Wärst du in der Nacht daraufgetreten, würdest du dich jetzt verirren.«
»Maria! Lass Servatius in Ruhe. Schau sein Gesicht an! Er ist leichenblass, weil du ihn mit deiner Geschichte ängstigst«, rügte Barnabas das Mädchen. An den Mönch gewandt, sagte er mit einem Augenzwinkern: »Ärgere dich nicht. Sie ist ein Kind. Mit mir an deiner Seite kann dir nichts passieren.«
Servatius war so böse auf Maria, dass er sie am liebsten den Abhang hinuntergestoßen hätte. Zwar ahnte er, dass sie ihn nur wütend machen wollte, trotzdem passte er nun bei jedem weiteren Schritt auf, wohin er trat.
Barnabas hatte sich nicht getäuscht. Das Gemäuer, das er von der anderen Seite der Saar gesehen hatte, war eine Festung. Während der kurzen Überfahrt unterhielt sich der Magier mit einem Greis, der ihm redselig Auskunft gab.
»Das ist die Burg Montclair«, näselte der Alte.
»Lichter Berg«, übersetzte Barnabas und blickte zum Bergrücken empor, dessen Gestein im hellen Licht erstrahlte. Von dem Mann erfuhr der Magier, dass die Burg nur in Zeiten von Belagerung und Krieg bewohnt wurde und zu anderen Zeiten als Wehrbau diente, um für die Streitkräfte eine Unterkunft zu stellen.
»Außerdem nutzen die Ortschaften um die Saarschleife das Gefängnis der Burg – so wie heute!«, fügte der Greis hinzu und sah Barnabas mit gewichtiger Miene aus seinen kleinen trüben Augen an.
»Aha!«, entgegnete Barnabas interessiert. Der Greis stellte sich daraufhin dicht neben den Magier und sagte mit leiser Stimme: »Heute wird dort die Anhörung von Claß Glesers’ Frau Ida stattfinden, die man der Hexerei beschuldigt!«
Barnabas blickte freudig zu Maria und Servatius. »Habe ich es nicht vorausgesagt? Auf meine Nase kann ich mich verlassen.«
Eine Menschenmenge wand sich wie ein Bandwurm den steilen Weg zur Burg Montclair hinauf. Die Leute lachten, johlten und scherzten, so dass Unbeteiligte hätten meinen können, sie würden zu einem Fest gehen. Stattdessen gingen sie zu einer Anhörung und unterhielten sich munter über die verschiedenen Arten von Folter, die die Angeklagte in den letzten Tagen hatte ertragen müssen.
Ein Mann, der weit vorn ging, drehte sich zu den Leuten hinter sich um und rief: »Man hat sie aufgezogen, bis sie gebrüllt hat. Stundenlang hing sie in dieser grausamen Folter, wurde unsagbar gequält und wollte doch nicht bekennen. Stattdessen soll sie geschrien haben, dass man sie zwingen würde, etwas zu gestehen, was sie nicht begangen hätte. Man würde sie nötigen, ihre Seele zu verdammen, was ihren Folterknechten aber nicht gelingen würde. Stellt euch das mal vor!« Er hielt kurz inne, bevor er fortfuhr: »Als man Ida dann gefragt hat, ob sie die Angelegenheit bedenken wolle, da man sie dann herablassen würde, gab sie zur Antwort, dass sie gut an den Ketten hinge. Ihre Peiniger haben sie voller Wut noch schärfer aufgezogen.«
Einige lachten, andere schüttelten den Kopf, und wieder andere waren bleich geworden.
Barnabas freute sich über das, was er soeben gehört hatte. Wenn die Frau selbst unter der Folter störrisch bleibt, dann werden sie meine Fähigkeiten sicherlich gerne in Anspruch nehmen. Er lächelte und hörte schon die Münzen in seinem Beutel klingen, die man ihm für seine Dienste bezahlen würde.
Das Hochgericht war unter der Burglinde zusammengetreten. Der Amtmann von Montclair, Nikolaus Weiß, führte den Vorsitz. Ebenso anwesend waren der Gerichtsschreiber, weitere Amtmänner aus den Nachbargemeinden sowie der Notarius Martinus Steinborn, der als Gerichtsschreiber auftrat.
Sichtbar geschunden stand die Frau vor den gaffenden Menschen. Als der Amtmann zu reden begann, schloss sie die Augen. Tränen rannen ihr über die blutverkrusteten Wangen.
Notarius Steinborn stellte mit dröhnender Stimme fest, dass Idas Urgicht, wie er das Geständnis nannte, in Güte stattfinden werde, was nichts anderes hieß, als dass die Beschuldigte während der Befragung keiner Folter unterzogen wurde.
Mit schwacher Stimme begann Ida Glesers auszusagen: »Am Hubertustag sind Freibeuter über das Land hergefallen und haben mein Haus geplündert. Mir haben sie übel mitgespielt. Die Räuber haben mich mitten in der Nacht fortgeschickt, um Wasser für die Pferde zu holen. Auf dem Weg zur Tränke ist der böse Feind in Gestalt eines Landsknechts auf mich zugekommen und verlangte, dass ich seinen Willen tue. Anschließend sollte ich den
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