Der Hexenturm: Roman (German Edition)
verlassen, Thomas«, grollte er, ohne sich Mühe zu geben, seine Zweifel zu verbergen.
Königsdorfer funkelte ihn böse an. »Beleidige mich nicht, denn schließlich stehe ich immer zu meinem Wort. Du brauchst nur die Hexen zu fragen!«
Kapitel 28
Der April ließ die Menschen aufatmen. Die dunklen Wolken hatten sich verzogen, und von Schnee und Kälte war stetig weniger zu spüren. Auch zeigte sich die Sonne immer öfter, und schon früh morgens war das Gezwitscher der Vögel zu hören. Alles schien aus einem langen Winterschlaf zu erwachen. Die Menschen krochen aus ihren Häusern hervor und genossen die ersten Sonnenstrahlen. Auf den grünen Koppeln sprangen übermütig Lämmer, Fohlen, Zicklein und Kälber umher. Die Bienen summten und sammelten eifrig den Nektar aus den bunten Blüten. Endlich war die Natur erwacht und entfaltete ihre herrliche Pracht.
In den Ortschaften um Exweiler waren auch in den Wintermonaten Hexen erkannt und verbrannt worden. Dank des Bilsenkrauttranks, den Barnabas den Maleficantinnen verabreicht hatte, um sie zu berauschen, damit sie willenlos ihre Hexenzugehörigkeit gestanden, blieb mancher Angeklagten die Tortur erspart.
Die zahlreichen Verurteilungen hatten Barnabas’ Geldsäckchen reichlich gefüllt, worüber er sehr zufrieden war. Der Magier wusste, dass er seinen Erfolg auch Maria zu verdanken hatte, und das betonte er bei jeder Gelegenheit.
»Weil du, mein Kind, den Hexentanzplatz aufmerksam beobachtet hast, dir Zeichen, Lieder, Stimmen und Eigenarten der dort anwesenden Frauen gemerkt hast, konnten wir die Schuldigen erkennen und anklagen. Du, Maria, bist die wahre Hexenfinderin!«, lobte er das Mädchen, das mit glänzenden Augen die Schmeichelei dankbar annahm.
Servatius hörte dem Lob voller Neid zu und hatte Mühe, sich seinen Groll nicht anmerken zu lassen. So wie einst seinen Glaubensbruder Burghard hasste Servatius nun das Mädchen, denn Barnabas schenkte all seine Aufmerksamkeit ihr und nicht ihm. Er wird ihr sicherlich das Brauchen der Magier beibringen, und ich werde leer ausgehen!, murrte er in Gedanken. In manchen Augenblicken verstärkte sich sein Verdacht, vor allem wenn der Magier und Maria hinter seinem Rücken über ihn tuschelten. Wandte Servatius sich ihnen dann zu, traf sein Blick sich oft mit dem des Mädchens, was ihn sofort erschauern ließ. Und immer öfter malte er sich in den düstersten Farben aus, wie er Maria wieder loswerden könnte.
Mitte April erklärte Barnabas, dass es Zeit war, weiterzuziehen, da es in dem Landstrich um den Schaumberg für ihn nichts mehr zu tun gab.
Der Abschied von den Bauersleuten und ihren Kindern fiel Maria schwer. Zum ersten Mal hatte sie erfahren, was es hieß, eine liebende Familie zu haben. Besonders das jüngste Kind hatte Maria in ihr Herz geschlossen. Wie eine Glucke behütete und umsorgte sie das ein Jahr alte Mädchen.
Als Barnabas Maria mitteilte, dass sie fortgehen würden, wurde sie zornig und schlug nach ihm. Geduldig versuchte der Magier dem Mädchen zu erklären, warum sie nicht bleiben konnten, doch es wollte ihm nicht zuhören. »Ich will nicht fort! Hier gefällt es mir!«, brüllte Maria aufgebracht und riss sich kreischend an den Haaren. Als seine Überredungsküste nicht halfen, sie zu beruhigen, versuchte Barnabas es mit einem Geschenk. »Ich werde dir ein neues Kleid kaufen«, versprach er. Das Mädchen blickte zu ihm auf und rief trotzig: »Ich will aber kein neues Kleid!«
»Hast du denn einen Wunsch, den ich dir erfüllen kann?«, fragte Barnabas. Diese Frage ließ Maria eine Weile überlegen, dann antwortete sie: »Ich will eine Schwester haben, eine, die ich wie die kleine Hanna umsorgen kann. Eine Schwester, die nur mir gehört.«
»Wie soll ich dir eine Schwester beschaffen?«, fragte Barnabas lachend, der die Bitte als Spaß abtat.
Marias Augen wurden vor Zorn dunkler. »Du bist doch ein Magier! Also kannst du mir auch eine Schwester besorgen.« Die Heftigkeit, mit der sie das sagte, ließ keinen Zweifel daran, dass sie es ernst meinte. Zum ersten Mal spürte Barnabas in Marias Nähe, wie ihm ihre Kälte entgegenschlug.
Schließlich ging das Mädchen aber doch mit Barnabas und Servatius. Nachdem sie sich von den Bauersleuten verabschiedet hatten, drehte Maria sich immer wieder um und winkte der Familie zu, die in der Tür stand und zurückwinkte. Die älteren Kinder weinten und liefen ein kurzes Stück des Weges hinter ihnen her. Auch den Bauersleuten tat der
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