Der Hexenturm: Roman (German Edition)
werde ich dich mitnehmen.« Maria ging mit dem Kind auf dem Arm zurück ans Ufer und legte es in die Wiese. Vorsichtig zog sie ihm die nassen Sachen aus. »Du bist ein Mädchen!«, rief Maria erfreut und klatschte in die Hände. Die Kleine zitterte am ganzen Körper und strampelte wild mit den Beinchen .
Maria band sich ihre Schürze ab und wickelte das Kind darin ein. Liebevoll drückte sie ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich werde mich um dich kümmern. Du bist jetzt meine kleine Schwester!«, sagte Maria glücklich. »Ich nenne dich wie das kleine Bauernmädchen. Hanna soll dein Name sein.« Die nassen Sachen des Kindes legte Maria in den Korb. Dann hob sie das Kind hoch, ergriff den Korb und ging singend zurück zu Schnetters Haus.
»Brauchst du noch mehr Belege dafür, dass unsere Meinung die einzig richtige ist?«, fragte Ignatius, der zuvor ein hitziges Streitgespräch mit dem Magier geführt hatte.
Erschöpft fuhr sich Barnabas mit den Fingerspitzen über die Schläfen. »Können wir morgen weitersprechen?«, fragte er müde. In dem Augenblick betrat Maria den Raum.
Überrascht blickte jeder auf das Mädchen, das glücklich lachend mit dem Kleinkind auf dem Arm vor ihnen stand.
»Barnabas«, rief Maria freudig, »mein Wunsch hat sich erfüllt. Der Herrgott hat mit eine Schwester geschenkt.« Sprachlos weiteten sich die Augen der anwesenden Männer.
»Wo hast du das Kind her?«, fragte Clemens. Das Kleinkind schien seine Stimme zu kennen, denn es wandte ihm sein Gesichtchen zu und lachte ihn an.
»Magdalena!«, rief Clemens erschrocken und riss Maria das Kind aus dem Arm.
»Sie heißt nicht Magdalena! Ihr Name ist Hanna!«, brüllte Maria aufgebracht.
»Ich werde wohl meine Patentochter erkennen«, widersprach Clemens. »Wo hast du sie gestohlen?«
»Ich habe sie nicht gestohlen!«, wehrte sich Maria und warf sich weinend in die Arme von Barnabas. »Ich habe sie nicht gestohlen!«, jammerte sie in den Stoff seines Umhangs.
Sanft strich ihr der Magier über das Haupt und fragte: »Wo hast du das Kind gefunden, Maria?«
Schniefend blickte sie zu ihm auf und erzählte, wo Magdalena gelegen hatte. »Sicher hat sie eine böse Mutter, die sich nicht um ihr Kind kümmern will. Genauso wie meine Mutter eine böse Mutter gewesen ist!«, erklärte Maria voller Zorn.
»Franziska ist eine liebevolle Mutter«, verteidigte Clemens seine Freundin. »Es muss etwas passiert sein. Ich muss sofort zurück zum Gestüt.«
»Wir werden dich begleiten«, sagten die anderen Männer und folgten ihm nach draußen. Clemens drückte Burghard das Kind auf den Arm und bat: »Pass auf sie auf. Ich reite voraus!«
Immer wieder lief Johann eine Seite der Uferböschung auf und ab, während Franziska auf der anderen Seite suchte.
Erschöpft brach Franziska weinend zusammen. »Sie ist nicht hier! Sie ist ertrunken!«, schrie sie voller Verzweiflung. Johann überquerte an einer flachen Stelle den Bach und nahm seine Frau in die Arme.
»Lass uns zum Gestüt gehen und Helfer holen, die uns bei der Suchen unterstützen.«
»Aber …«, wollte Franziska aufbegehren.
»Allein schaffen wir es nicht«, fiel Johann ihr ins Wort. Franziska nickte stumm.
Auf ihrem Weg zurück zum Hof sahen sie, dass Bonner noch immer im Gras am Ufer des Baches lag. Johann stieß ihn mit dem Fuß an, doch der Bauer rührte sich nicht. »Jetzt hat er seine gerechte Strafe bekommen«, sagte Johann und zog Franziska mit sich fort in Richtung des Gestüts.
Kaum war er im Hof des Gestüts angekommen, sprang Clemens aus dem Sattel und rief aufgeregt nach Johann.
Als er keine Antwort bekam, eilte er in die Küche, wo er auf die Magd stieß. »Hast du Johann gesehen?«, fragte er sie außer Atem.
»Er ist vor geraumer Zeit zu den Koppeln gegangen, um Franziska zu suchen.«
Die letzten Worte hörte Clemens nicht mehr, denn er war bereits hinausgestürmt. Er lief durch den Obstgarten, sprang über den Koppelzaun und rannte die Weide hinunter. Endlich sah er sie! Hand in Hand kamen Johann und Franziska ihm entgegengelaufen. Schon von weitem konnte Clemens Franziskas verweintes Gesicht erkennen.
Als sie sich gegenüberstanden, stammelte Johann zusammenhangslos: »Bonner hat uns gefunden … Franziska und Magdalena wären beinahe … wir müssen sie suchen!«
»Es geht ihr gut!«, sagte Clemens, doch die Freunde hörten ihm nicht zu, sondern liefen an ihm vorbei. So laut Clemens konnte, schrie er ihnen nach: »Magdalena geht es gut!«
Ungläubig
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