Der Hexenturm: Roman (German Edition)
drehten sich Johann und Franziska um. »Wie?«, schrie Franziska erregt und kam einige Schritte zurück. Mit wenigen Worten schilderte ihnen Clemens, was sich zugetragen hatte, als Franziska plötzlich die Beine versagten. Zitternd sank sie zu Boden. Johann umarmte Clemens unter Tränen. »Komm, Franziska, lass uns nach unserer Tochter sehen!«
Mit einem Aufschrei der Freude schloss Franziska ihre Tochter in die Arme. Liebevoll drückte und küsste sie das Kind. Alle freuten sich mit ihr. Nur Maria, die mit Barnabas etwas abseitsstand, vergrub das Gesicht in den Händen und schrie: »Sie darf mir meine Schwester nicht wegnehmen. Sie gehört mir! Ich habe sie gefunden!«
Franziska blickte verängstigt zu Johann, der Clemens einen fragenden Blick zuwarf. Schließlich war es Burghard, der die beiden zur Seite nahm und ihnen erklärte, wie Maria das Kind im Gestrüpp des Baches gefunden hatte. Ungläubig blickte Franziska zu Maria, die nun laut weinend in der Ecke stand.
Franziska drückte Johann das Kind in den Arm und ging neben Maria in die Hocke. Mit leisen Worten erklärte die junge Frau dem Mädchen, was sich tatsächlich zugetragen hatte, und dass sie ihre Tochter über alles lieben und niemals im Stich lassen würde.
»Meine Mutter hat so etwas nie zu mir gesagt! Sie war froh, wenn sie mich nicht sehen musste«, sagte Maria bitter und blickte Franziska aus unschuldigen Kinderaugen an. Der jungen Frau krampfte sich das Herz zusammen. Sie nahm das Mädchen in den Arm und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich danke dir von ganzem Herzen, dass du meine Tochter gerettet hast, Maria! Ohne dich hätten wir unser Kind nicht wiedergefunden. Ich verspreche dir, dass du sie so oft besuchen darfst, wie du willst.«
Zufrieden nickte das Mädchen und kuschelte sich in Franziskas Arm.
»Was ist mit dem Leichnam von diesem Bonner?«, fragte Clemens, nachdem Pfarrer Schnetter den Männern zur Beruhigung ein Glas von seinem Selbstgebrannten gereicht hatte.
Johann zuckte mit den Schultern. »Von mir aus kann er dort verwesen. Ich will ihn nie mehr zu Gesicht bekommen.«
»Das kann ich dir nachfühlen«, sagte Clemens. »Trotzdem muss er beerdigt werden. Ich werde mich darum kümmern.«
»Bei aller Freude über Magdalenas Rettung dürfen wir nicht vergessen, dass Katharina noch immer im Hexenturm eingesperrt ist und ihr Prozess und Scheiterhaufen drohen«, meldete sich Burghard zu Wort und warf einen besorgten Blick in die Runde.
Nun herrschte Stille, und niemand schien zu wissen, was zu tun war. Schließlich sprach Barnabas mit einem Blick auf die schlafende Maria: »Zwar haben mich eure Argumente gegen die Hexenerkennung nicht restlos überzeugt. Doch da ich fest davon überzeugt bin, dass Katharina der Hexerei nicht schuldig ist, werde ich euch helfen, sie freizubekommen. Dafür verlange ich jedoch eine Gegenleistung.«
Alle Blicke waren nun fragend auf den Magier gerichtet.
Kapitel 39
Zwei Tage später
Königsdorfer blickte zuerst Maria und dann Barnabas streng an. »Und Ihr seid Euch sicher, dass die Maleficantin nicht auf dem Hexentanzplatz war?« Zweifel schwang in seinen Worten mit, doch Barnabas nickte.
»Auch ich hatte Zweifel. Deshalb habe ich ihr die doppelte Menge des Suds eingeflößt, den ich den Angeklagten normalerweise verabreiche. Doch ich konnte ihr kein Geständnis entlocken.«
Königsdorfer grübelte und musterte Maria, die ihm fest in die Augen blickte.
»Was sagst du dazu?«, wollte er von ihr wissen.
»Ich habe sie nicht auf dem Tanzplatz gesehen. Viele Frauen waren beim Hexensabbat zugegen, und ich erinnere mich an jede einzelne. Sie aber war nicht dabei.«
»Das kann nicht sein! Jemand hat sie dort gesehen und ist davon überzeugt, dass sie Schadenszauber über ihn gelegt hat«, bedrängte der Amtmann den Magier und das Mädchen.
Maria wiegte den Kopf hin und her und flüsterte: »Ich würde demjenigen nicht trauen. Es waren auch Männer auf dem Platz, die auf schwarzen Böcken angeritten kamen. Zuerst sahen sie wie nette Burschen aus, doch schon bald zeigten sie ihr wahres Gesicht. Es waren Dämonen, die die Frauen in Gestalt eines Schönlings verführten und sie anschließend ihres Chrisams beraubten. Die Frauen haben vor Schmerzen laut geschrien, als der Teufel nach dem unsichtbaren Taufzeichen griff.«
Mit großen Augen hatte Königsdorfer dem Mädchen gelauscht. »Paul – ein Hexer?«, flüsterte er schockiert. Unbehagen ergriff von ihm Besitz, und er begann
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