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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Johann plötzlich und stürmte aus dem Zimmer.

     
    Johann lief, so schnell er konnte. Die Nachricht, dass Bonner sie gefunden hatte, ließ sein Herz rasen. Seine Hände waren feucht und sein Mund trocken. In seinem Kopf herrschte vollkommene Leere, und er konnte keinen klaren Gedanken fassen.
    Johann versuchte seine Gefühle zu unterdrücken, damit sie ihn nicht lähmen konnten. Er dachte nur daran, noch schneller zu laufen, da er wusste, dass ihm wenig Zeit blieb. An der Pferdekoppel angekommen, riss er eine Rute von einem der dort wachsenden Haselnusssträucher ab, sprang über das Gatter und schwang sich auf den Rücken seiner Stute, die sich erschrocken aufbäumte. Johann krallte sich in ihrer Mähne fest und drosch mit dem Stock auf ihr Hinterteil ein, woraufhin das Tier im gestreckten Galopp über die Weide preschte. Johann ahnte, dass die Stute vor dem Zaun scheuen würde, und er hieb deshalb noch fester auf sie ein, so dass sie den Holzzaun mühelos überwand.
    Wie schon so oft in den letzten Monaten hoffte, betete und flehte Johann in Gedanken, dass er nicht zu spät kommen würde. Die Angst, die Hitze und die Anstrengung trieben ihm den Schweiß aus den Poren. »Schneller!«, schrie er und trat der Stute wie besessen immer wieder in die Flanke.
    An der Stelle, wo der Bach sich in einen tiefen und reißenden Wasserlauf verwandelte, sah er sie schließlich. Er sprang von dem noch galoppierenden Pferd ab und landete hart im Gras. Hastig erhob er sich und achtete nicht auf den kurzen stechenden Schmerz in seinem Bein.
    Johann stand auf der einen Seite des Flusses – Bonner und Franziska auf der anderen. Um sie am Weglaufen zu hindern, umklammerte der Bauer grob das Handgelenk der jungen Frau.
    Weinend presste sich Franziska mit der freien Hand ihr Kind an die Brust. Ihre Tochter schrie aus Leibeskräften, als spüre sie die Gefahr.
    Das Gesicht von Pusteln übersät und zu einer hässlichen Fratze verzerrt rief Bonner Johann über den Fluss zu: »Habe ich es dir nicht prophezeit, Sohn? Ich werde die Hexe mitsamt ihrer Brut vernichten!«
    Zorn und zugleich unbändige Furcht tobten in Johann. Nur die Angst, Bonner zu reizen, hielt ihn davon ab, dem Alten über den Fluss hinweg zuzubrüllen, dass sie nicht Vater und Sohn waren. Die Hilflosigkeit raubte ihm den Verstand und verhinderte, dass er klar denken konnte.
    Verzweifelt sah sich Johann um. Doch es war niemand da, der ihm hätte zur Seite eilen und helfen können.
    Als er wieder zu Franziska blickte, sah er ihre vor Angst weit aufgerissenen Augen, sah ihre Tränen und ihr bleiches Gesicht. Und er hörte sein Kind schluchzen.
    Seine Machtlosigkeit zerriss Johann das Herz. Er trat dichter ans Ufer heran. Bonner beobachtete ihn genau, und in dem Augenblick, als Johann ins Wasser springen wollte, um ans andere Ufer zu schwimmen, versetzte Bonner Franziska einen Stoß. Schreiend stürzte sie mit Magdalena in den angeschwollenen Bach, der sie unter seine gurgelnde Oberfläche zog. Johann musste mit Entsetzen sehen, wie Franziska versuchte ihr Kind über Wasser zu halten und selbst dabei unterging. Mutter und Tochter wurden mitgerissen und verschwanden aus Johanns Sicht.
    Ein furchtbarer Schrei, in dem sein ganzer Schmerz lag, entfuhr Johanns Kehle.
    Genau wie in meinen Träumen, schoss es ihm durch den Kopf.
    Nur, dass dies kein Traum war.

Kapitel 38
     
    Nachdenklich lauschte Barnabas Ignatius’ Ausführungen. »Überlege selbst, Barnabas. Kann es nicht sein, dass alles Hexenwerk nur eine Einbildung ist? Und dass angebliche Hexen in Wirklichkeit geistesschwache oder geisteskranke Frauen oder Männer sind? Nur deshalb fällt es den Dämonen leicht, sie mit Sinnestäuschungen hinters Licht zu führen.«
    Als der Mönch den zweifelnden Blick des Magiers sah, gab er zu: »Das sind nicht meine Worte, Barnabas. Es sind die Erkenntnisse eines studierten Mannes. Der niederländische Arzt Johann Weyer hat bereits vor über fünfzig Jahren festgestellt, dass das, was Hexen für ihre magische Macht halten, nichts als Blendwerk ist. Die Macht täuschen Dämonen ihnen nur vor. Nach Weyers Meinung hat Hexenzauber keine greifbare Wirkung. Hexen begehen keine Verbrechen, und sie gefährden auch nicht Leben und Wohlstand anderer. Schau sie dir genau an, Barnabas. Es sind bemitleidenswerte Geister oder gemütskranke Menschen.«
    Barnabas wirkte nachdenklich. »Wenn ich recht überlege, hatte ich oft den Eindruck, dass manche Malificantin nicht bei Sinnen war. Demzufolge kann

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