Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Schwestern das Kind anvertrauen wollt. Ihr müsst keine Bedenken haben. Sie wird es in unserem Kloster gut haben.«
»Heißt das, dass Maria dem Orden beitreten muss?«, fragte Barnabas besorgt.
»Wäre es so fürchterlich, wenn sie sich entscheiden würde, Nonne zu werden?«, schmunzelte die Äbtissin.
»Nein, wahrlich nicht! Aber Maria träumt von einer Familie.«
»Wir werden ab heute ihre Familie sein. Das Kloster wird sie betreuen und versorgen, bis der Hexenspuk aus ihrem Kopf getilgt ist. Wenn Maria reifer und erwachsener ist, kann sie selbst entscheiden, ob sie bleiben oder gehen möchte.«
Barnabas atmete laut aus. Tränen waren in seinen Augen zu erkennen, als er entgegnete: »So soll es sein!«
Franziska war mit Maria in ihre Kammer unters Dach gegangen, wo Magdalena friedlich in ihrem Weidenkörbchen schlummerte.
Nachdenklich betrachtete die junge Frau das Mädchen, wie es ihrer Tochter zärtlich über die Wange streichelte.
»Maria«, sagte Franziska leise. »Setz dich zu mir, ich möchte mit dir reden.«
Bei ihrem letzten Zusammentreffen hatte Barnabas um einen Gefallen gebeten, der alle erstaunt hatte. Der Magier hatte den Wunsch geäußert, dass Maria in Wellingen bleiben sollte.
Mit müdem Blick hatte er erklärt, dass Ignatius’ Ausführungen sein Weltbild ins Wanken gebracht hatten. Zwar zweifle er nach wie vor an den Beweggründen der Gegner von Hexenverfolgungen. Doch er brauche Zeit, um sich weiterhin darüber Gedanken zu machen. Deshalb habe er beschlossen, seinen Weg allein fortzusetzen und Maria ein geordnetes Leben zu sichern.
»Maria kann unmöglich in Wellingen bleiben«, hatte Pfarrer Schnetter zu bedenken gegeben. »Wenn Johann von Baßy oder Thomas Königsdorfer sie hier sehen, wird sie keine Ruhe haben. Der eine wird sie als Hexenerkennerin ausbeuten, und der andere wird sich an ihr rächen wollen.« Mit einem Seitenblick auf Barnabas hatte er hinzugefügt: »Maria ist zu jung, um sich zu wehren, und außerdem leicht beeinflussbar. Wir müssen eine andere Lösung finden. Sie muss an einen Ort gebracht werden, wo man ihr nichts anhaben kann.«
»Was Ihr sagt, mein lieber Herr Pfarrer, ist vollkommen richtig«, hatte Regina Rehmringer ihm beigepflichtet. »Und ich glaube, dass ich bereits eine Lösung gefunden habe.«
Franziska wiegte die weinende Maria im Arm und versuchte sie zu trösten. »Es wird dir dort sicher gefallen«, flüsterte sie. »Wir alle werden dich besuchen kommen. Und nach einer gewissen Zeit wirst du zu uns aufs Gestüt kommen dürfen.«
»Warum kann ich nicht bei euch bleiben?«, schniefte das Mädchen.
»Weil erst die bösen Träume aus deinem Kopf verschwinden müssen«, erklärte Franziska ruhig. Nachdenklich blickte Maria die junge Frau an. Als das Mädchen nichts Falsches in ihrem Blick erkennen konnte, flüsterte es: »Ich will auch, dass die bösen Menschen nachts nicht mehr zu mir kommen.«
»Sei unbesorgt, dabei werden dir die Nonnen helfen, Maria!«
Barnabas blickte der Kutsche hinterher, die im Morgendunst verschwand. Erschöpft stützte er sich auf seinem Wanderstab ab.
»Was wirst du jetzt machen?«, fragte Burghard den Magier.
»Es wird Zeit, in Richtung Heimat aufzubrechen.«
»Wo ist deine Heimat?«
Feine Lachfalten zeigten sich um Barnabas’ Augen. »Dort, wo es den besten Wein und das beste Essen gibt. Ich werde meinen Lebensabend im Elsass verbringen.«
Er griff in seinen Tragekorb und holte ein abgewetztes Buch hervor. »Ich habe immer gehofft, dass du eines Tages mein Nachfolger als Heiler werden würdest«, sagte er leise zu Burghard. »Du hast jetzt andere Pläne, und ich bin zu alt und zu müde, um mir einen neuen Lehrling zu suchen. Bevor mein Wissen jedoch verloren geht, möchte ich es an dich weiterreichen. Ich bin mir sicher, dass du es nicht zum Schlechten nutzen wirst.«
Dankbar nahm Burghard das Buch entgegen. »Das Brauchen der Magier« stand auf dem Einband. Bewegt umarmte er den alten Mann. »Leb wohl, Barnabas!«, flüsterte Burghard und ging schnell ins Haus zurück.
Als Barnabas sich umwandte und aus dem Hoftor schreiten wollte, sagte eine Stimme hinter ihm: »Hab Dank, Barnabas!«
Lächelnd drehte er sich Katharina zu. »Eine so reine Seele wie deine ist selten. Du bist eine würdige Nachfolgerin der heiligen Elisabeth«, sagte er. Katharinas Gesicht überzog eine feine Röte. »Du bist nicht böse, weil ich damals vom Eichsfeld und aus deiner Obhut weggelaufen bin?«
»Nein, mein
Weitere Kostenlose Bücher