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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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Kind und erschrak aufs Neue, als er seine kalten, abweisenden Augen sah.
    Die Tochter klagt die Mutter als Hexe an, dachte er entsetzt. Was war wohl vorgefallen, dass ein Kind so etwas tat?
     
    »Ich habe mich gewehrt, wollte nicht mit zum Hexentanzplatz, aber sie hat mich gelockt«, flüsterte Maria geheimnisvoll.
    »Wie hat sie dich gerufen?«, fragte der Vorsitzende.
    Das Mädchen schaute von einem Mann zum anderen. Dann wandte es den Kopf der Mutter zu, zeigte mit dem Finger auf sie und wisperte: »Sie sagte, dass sie mir beibringt, wie ich Mäuse herbeizaubern kann.«
    Ein Aufschrei des Entsetzens ging durch die Menschenmenge. Ungeziefer sollte das Kind herzaubern und so Verderben über das Dorf bringen! Einer der Schöffen bemerkte kalt: »Der Hexer Flade aus Trier, der 1589 hingerichtet wurde, hatte im Keller ein Fass voll Schnecken stehen, um die Gärten zu verderben. Hexen bringen nicht nur Schnee und Gewitter über die Menschheit, sie rufen auch Ungeziefer her. Von Kinderhexen, die Mäuse herbeizaubern konnten, habe ich oft gehört.«
    Einige im Saal nickten eifrig.
     
    Barbara Backes blickte ungläubig ihre Tochter an und flüsterte: »Habe ich mich nach dem Tod deiner leiblichen Mutter nicht immer anständig um dich gekümmert? Du warst für mich wie mein eigenes Kind! Ich habe dich gewaschen, gepflegt und dir zu essen gegeben. Warum bist du so böse und tust mir das an?«
    Das Mädchen beachtete die Mutter nicht, sondern flocht sich die Haare zu kleinen Zöpfen und summte ein Wiegenlied. Es schien die Menschen um sich herum auszublenden. Erst als ein Mann des Ausschusses sie direkt ansprach, ließ sie die Hände sinken und blickte fragend auf.
    »Maria, sagst du die Wahrheit?«
    Lächelnd nickte das Mädchen. »Ich war auf dem Hexentanzplatz und habe gesehen, wie sie mit anderen Frauen getanzt hat und mit dem Teufel gehüpft ist.«
    Nun war die Meute im Saal nicht mehr zu halten.
    »Brennen soll sie!«, riefen die Menschen erneut im Chor.
    Weinend winselte Barbara Backes um Gnade. Mit lauter Stimme rief der Ausschuss die Leute zur Ordnung.
    »Maria, wen hast du außer deiner Mutter beim Hexensabbat gesehen?«
    Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Ich konnte sie nicht erkennen, da sie Masken vor dem Gesicht trugen.«
    »Barbara Backes! Wir wollen wissen, wer mit dir am Hexentanzplatz zugegen war. Wer außer dir hat mit dem Teufel getanzt und mit ihm Unzucht getrieben?«
    Weinkrämpfe schüttelten die Frau. Angst verzerrte ihr Gesicht und hinderte sie am Atmen. Als sie keine Antwort gab, ordnete der Mann mit den feinen Gesichtszügen an: »Bringt sie in den Keller! Wenn wir ihr die Folterwerkzeuge zeigen, wird sie uns die Namen nennen wollen. Andernfalls wird die peinliche Befragung vollzogen. Führt die Hexe ab!« Die beiden Bewacher zerrten die Frau sogleich vom Stuhl. Als ihr die Beine versagten, schleiften sie Barbara Backes an den Armen hinaus.
     
    Barnabas traute seinen Ohren kaum. Diese Bauern wagten es, Verdächtige foltern zu lassen? Das war überall im Reich das alleinige Recht der Herrschaft. Aber hier schien der Ausschuss dieses Recht an sich gerissen zu haben. Das war gegen das Gesetz. Aber es erhob sich kein Protest. Barnabas erinnerte sich dunkel, etwas Ähnliches über die Hexenverfolgungen in Cochem an der Mosel gehört zu haben, auch wenn das mehr als zwanzig Jahre her war. Offenbar konnte es auch dort geschehen, dass die dörflichen Hexenjäger aus eigener Machtvollkommenheit folterten. Aber wer waren die Folterknechte, hier in diesem kleinen Dorf? Vielleicht ein paar Strauchdiebe, die der Ausschuss bezahlte? Oder vielleicht Mitglieder des Ausschusses selbst? Barnabas staunte, wie sehr an diesem Ort das Recht mit Füßen getreten wurde. Am Ende würde wohl ein Richter der Herrschaft das Urteil fällen. Aber der ganze Prozess bis dahin – offenbar sogar die Folter – war anscheinend in die Hände der Ausschüsse übergegangen.
     
    Servatius, der wie Barnabas das grausame Schauspiel beobachtet hatte, forderte den Magier leise auf: »Biete ihnen unsere Hilfe bei der Befragung an.«
    Barnabas schüttelte den Kopf.
    »Warum nicht?«, schimpfte der Mönch. Als Barnabas ihm nicht antwortete, sondern weiterhin nur das Kind anstarrte, wurde Servatius wütend und trat geradewegs auf die Männer des Ausschusses zu. Er stellte sich ihnen in den Weg und erklärte: »Ich möchte euch meine Hilfe bei der Befragung anbieten.«
    Die vier musterten ihn. Der mit dem Krötengesicht drückte

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