Der Hexenturm: Roman (German Edition)
als hätte man einen Gaul geschlachtet. Sobald der Heilige Abend vorüber ist, werde ich mich auf die Suche nach ihm machen und den Menschenfresser töten.«
»Der Heilige Abend?«, fragte Bonner erschüttert.
Simon nickte.
»In wenigen Tagen ist Weihnachten. Deshalb bin ich gekommen. Ich bringe dir Geschenke.«
Er schnippte mit den Fingern, und die beiden Burschen, die sonst das Essen brachten, kamen herbeigeeilt. Sie trugen einen neuen Strohsack, eine frische Decke, einen Eimer mit Wasser, ein Leinentuch sowie saubere Kleidung herein. Dann gingen sie wieder hinaus, um weitere Dinge zu holen. Als sie zurückkamen, stellten sie ein Tablett auf den Boden und darauf einen Krug Wein, frisches Brot sowie einen Teller mit gebratenem Hühnchen. Danach schickte Simon die Burschen fort.
Erstaunt blickte Bonner den Jäger an.
»Du weißt, dass ich die Wahrheit spreche, Simon. Ich bin kein Herumtreiber.«
»Ach ja?«
Bonner erhob sich und wankte auf den Jäger zu, der sogleich mehrere Schritte zurückwich.
»Warum sonst würdest du mir das alles bringen?«, schrie Bonner. »Dein schlechtes Gewissen treibt dich dazu! Lass mich endlich frei, und ich werde Burg Greifenstein den Rücken kehren und nie wieder zurückkommen. Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist.«
»Ach, Casper, ich habe dir schon gesagt, dass du so lange hierbleiben wirst, bis ich den Bären zur Strecke gebracht habe. Gedulde dich! Es wird nicht mehr lange dauern!«
»Weißt du, was du mir damit antust?«
Simon zuckte mit den Schultern. »Weißt du , was ich mir von der Belohnung für das Töten des Bären alles leisten kann? Zudem steige ich in der Gunst des Grafen. Was es für dich bedeutet, ist mir einerlei!«, zischte Simon.
Bonner schrie auf und wollte sich mit letzter Kraft auf den Jäger stürzen, doch der schlug ihm mit der brennenden Fackel gegen den Kopf. Bonner strauchelte und fiel der Länge nach hin.
»Schone deine Kräfte, Casper! Sonst wirst du die freudige Kunde von meinem Bärenfang nicht mehr erleben.«
Mit diesen Worten verließ Simon das Verlies, und die Tür zu Bonners Zelle wurde erneut verschlossen.
Nur langsam kam Bonner wieder auf die Füße. Mit leerem Blick starrte er auf das Essen und hätte es am liebsten gegen die Wand geworfen. Doch dann setzte er sich auf den Strohsack, nahm den Teller auf den Schoß und riss sich ein Stück des Geflügels ab. Gierig schob er es sich in den Mund. »Ich muss bei Kräften bleiben!«, murmelte er zwischen zwei Bissen.
Eine Woche zuvor in Duderstadt
In Albrecht Harßdörfers Gesicht lag ein gieriger Blick. Mit beiden Händen durchwühlte er die Münzen, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen.
Josef stand daneben und beobachtete ihn. Solange der Bursche zurückdenken konnte, hatte er sich vor dem einflussreichen Mann gefürchtet. Heute jedoch war seine Angst übermächtig, denn er fürchtete, dass der Bürgermeister von Duderstadt geisteskrank war. Harßdörfers Augen hatten einen sonderbaren Glanz angenommen, und Josef glaubte, dass sie rötlich schimmerten. Erschrocken wich er langsam einige Schritte zurück.
»Hast du ihnen gesagt, dass sie weitere Zinsen zahlen müssen?«, fragte Harßdörfer den Jungen und blickte kurz auf.
Josef nickte eifrig und erklärte: »Pfeifer Karl, Braun Christ und Zimmermann Thomas haben gesagt, dass du nächste Woche die Zinsen abholen kannst …«
»Und die anderen?«, unterbrach Harßdörfer ihn grimmig.
»Sie sagen, dass sie dir nur das zahlen werden, was vereinbart war.«
Mit wenigen Schritten hatte der Bürgermeister seinen Schreibtisch umrundet und packte Josef am Genick. Seine Pranke hielt den Nacken des Burschen umklammert und schob ihn wütend vor sich her, bis Josef mit dem Gesicht gegen die Wand prallte.
»Du elender Nichtsnutz! Ich habe dir gesagt, dass ich mir weder von dir noch von diesen Verbrechern sagen lasse, ob und wann ich mein Geld bekommen werde.«
Josef spürte, wie Blut aus seiner Nase tropfte. Bevor Harßdörfer den Burschen losließ, stupste er ihn ein weiteres Mal gegen die Wand. Josef jaulte auf.
»Wie lange soll ich noch auf mein Geld warten?«
Josef wischte sich mit dem Handrücken das Blut vom Kinn. Seine Nase schmerzte. Harßdörfer achtete nicht darauf, sondern fluchte: »In einer Woche ist der Heilige Abend. Wie ich dir bereits gesagt habe, will ich bis dahin das Geld haben. Alles! Du kannst diesen Lumpen sagen, dass ich ihnen das Haus unterm Hintern anstecken werde, wenn sie nicht zahlen sollten.
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