Der Hexenturm: Roman (German Edition)
schabte die Schuppen ab. Schließlich spießte er den Fisch auf einen Stock. Barnabas hatte inzwischen ein Feuer entfacht, worüber sie den Fisch grillten. Gesättigt marschierten sie weiter.
Am vierten Tag ihrer Reise beobachteten Barnabas und Servatius, als sie eben in einem Ort angekommen waren, wie die Bewohner aufgeregt die Straße entlang in ein Wirtshaus eilten. Neugierig folgten sie den Leuten, die die beiden Fremden nicht weiter beachteten. Da sich Barnabas auf das Verhalten der Dorfbewohner keinen Reim machen konnte, hielt er eine vorbeilaufende Frau am Ärmel fest und fragte sie, was passiert sei. Hastig gab sie ihm Antwort, um sogleich weiterzulaufen. Servatius sah den Magier fragend an. Um Barnabas’ Augen zeigten sich feine Lachfalten, als er sagte: »Wir sind in Westrich angekommen. In dem Land, wo es noch Hexenprozesse gibt!«
Barnabas beobachtete aufmerksam jeden einzelnen Anwesenden in der Schankstube und versuchte vergeblich aus dem Stimmengewirr einen Zusammenhang herauszuhören. Zu viele sprachen durcheinander. Als immer mehr Leute in den Saal hineindrängten, wurden Tische und Stühle zur Seite geschoben, um Platz zu schaffen.
Nacheinander betraten vier grimmig dreinblickende Männer den Raum. Sogleich senkten die Anwesenden ihre Stimmen, und nachdem die vier an einer Tafel Platz genommen hatten, herrschte plötzlich Stille.
Eine Seitentür wurde geöffnet, und eine Frau, die an den Händen gefesselt war, wurde von zwei Männern hereingeführt. Die Leute bekreuzigten sich und wichen zurück, so dass ein Gang entstand, durch den die Frau und die beiden Männer ungehindert nach vorn gehen konnten. Einer der Bewacher schupste die Gefesselte vor die Tischreihe. Wankend stand sie da und traute sich nicht aufzuschauen.
Barnabas sah in den Gesichtern einiger Zuschauer nackte Angst. Andere schienen Mitleid zu empfinden. Doch in den meisten Gesichtern konnte er Ablehnung und Hass erkennen.
Inzwischen war die Stille verhaltenem Gemurmel gewichen. Es schwoll an, bis es so laut wurde, dass einer der vier grimmigen Männer mit der Faust auf den Tisch schlug und »Ruhe!« schrie.
Die Menschen im Raum zuckten zusammen und blickten ängstlich nach vorn.
»Wie nennst du dich und woher kommst du?«, fragte einer der vier Männer die gefesselte Frau. Dichte graue Augenbrauen, die wild über eng zusammenstehenden Augen wuchsen, sowie ein mächtiger Bart gaben ihm ein finsteres, fast bedrohliches Aussehen. Verängstigt blickte die Angesprochene hoch und antwortete mit zaghafter Stimme: »Mein Name ist Barbara Backes. Ich komme hier aus diesem Ort, aus Weierweiler.«
»Wie alt bist du?«
»Ungefähr dreißig Jahre.«
»Barbara Backes«, dröhnte seine Stimme durch den Saal, »zu unserer großen Betrübnis ist uns kürzlich zu Ohren gekommen, dass du dich von Gott losgesagt und dich dem Teufel verschworen haben sollst.«
Die Frau schüttelte den Kopf. Bevor sie etwas sagen konnte, ergriff ein anderer Mann, dessen Gesicht ungewöhnlich fein geschnitten war, das Wort: »Die Bewohner des Dorfes Weierweiler haben uns, den Ausschuss, gerufen, um eine gütliche Befragung durchzuführen. Wir werden Zeugen vernehmen, Beweise sammeln und Aussagen aufschreiben, um herauszufinden, ob du dich der Hexerei verschworen hast. Auch werden wir eine Anklageschrift der Gemeinde an das zuständige Gericht der gnädigen Herrschaft übergeben. Hast du das verstanden?«
»Ich bin unschuldig! Ich habe nichts Unrechtes getan!«, stammelte die Frau.
»Es ist nicht deine Angelegenheit, uns von deiner Unschuld zu überzeugen, sondern unsere, dir deine Schuld zu beweisen!«, sagte der Mann mit den zusammenstehenden Augen ungerührt.
»Schließlich wird dir das höchst sträfliche Laster der Zauberei vorgeworfen. Doch erst der Reihe nach!«, erklärte der dritte Mann, der mit hochrotem Kopf zwischen den anderen saß und den seine beachtliche Leibesfülle kaum durchatmen ließ. Schnaufend fuhr er fort und fragte: »Dein Mann hat sich Heinrich Backes genannt und wurde bereits der Zauberei überführt und verbrannt. Ist das richtig?«
»Das weißt du am besten! Du bist doch sein Bruder, der nun das Amt meines toten Heinrichs an sich gerissen hat«, beschuldigte ihn die Frau aufgebracht, als habe sie ihre Angst plötzlich vergessen. Das Gesicht des Befragers wurde noch eine Spur röter, und sein Schnaufen nahm zu. Ihren Vorwurf überhörend, setzte er seine Vernehmung fort: »Du kanntest auch die Wollweber Agnes, die sich
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