Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Servatius zur Seite und erwiderte: »Wir benötigen keine Hilfe von Fremden. Das schaffen wir auch allein!«
Ohne ein weiteres Wort wollten sie ihn stehen lassen, woraufhin Servatius rief: »Und was ist mit geistlichem Beistand? Ich könnte der Frau die Beichte abnehmen.«
Der Mann mit dem fein geschnittenen Gesicht schien zu überlegen und nickte. »Komm!«
Servatius suchte Barnabas’ Blick und lächelte ihm herablassend zu. Der Magier hingegen war froh, dass der Mönch ihn nicht weiter belästigte.
Der Raum leerte sich. Die Einwohner des kleinen Ortes Weierweiler gingen zurück in ihre Häuser und zu ihrer Arbeit. Auch das Mädchen Maria verließ den Saal. Unauffällig folgte Barnabas dem Kind durch die Straße. Am Rand des Ortes stand eine kleine Hütte, auf die das Mädchen zuging. Bevor es im Haus verschwinden konnte, rief Barnabas es beim Namen.
Maria wandte sich ihm zu und blieb abwartend stehen. Das Mädchen neigte den Kopf leicht zur Seite und fragte: »Wer bist du? Ich habe dich hier noch nie gesehen.«
»Mein Name ist Barnabas, und ich bin auf der Durchreise«, erklärte er freundlich.
»Was willst du?«
»Ich habe dich im Wirtshaus gesehen.«
Das Mädchen nickte und zwirbelte seine Haare. Seine Augen starrten ins Leere. Erst als Barnabas eine weitere Frage stellte, kehrte Leben in seinen Blick zurück.
»Wer kümmert sich um dich?«
Maria zuckte mit den Schultern.
»Hast du Geschwister oder Verwandte?«
Das Kind schüttelte stumm den Kopf.
»Du weißt, dass deine Mutter verurteilt werden wird?«
Maria nickte.
»Du magst deine Mutter nicht?«
»Ich hasse sie!«, flüsterte das Mädchen. »Sie wollte mich mit zum Hexensabbat nehmen. Das tut eine liebe Mutter nicht! Nur eine Stiefmutter ist dazu fähig.«
Nachdenklich blickte Barnabas das Kind an, das wieder mit seinen Haaren spielte.
»Da hast du Recht, Maria, so etwas würde eine liebe Mutter von ihrem Kind nicht verlangen. Nur eine böse Stiefmutter würde so etwas tun!«
Marias Augen begannen zu leuchten. »Du scheinst mich zu verstehen«, sagte sie.
»Ja, ich kann dich gut verstehen. Böse Mütter darf man nicht ungestraft lassen. Sie hat den Tod verdient. Doch was wird aus dir? Die Leute im Dorf werden dich nicht länger dulden wollen, wenn man deine Stiefmutter hingerichtet hat.«
Erschrocken ließ Maria die Hände sinken. Angst war in ihrem Blick zu erkennen. Das Kind schien keinen Augenblick darüber nachgedacht zu haben, welche Folgen seine Aussage hatte. Dann fasste es sich wieder. Angst und Verwirrung wichen dem Ausdruck kindlicher Starrsinnigkeit, eine Mischung von Trotz und Hass.
»Sie allein trägt Schuld, nicht ich! Sie ist böse. Sie ist nicht meine Mutter. Sie wollte mir sagen, was ich zu tun habe. Aber ich kann mich wehren.«
»Ich weiß das, Maria, aber wenn die Leute glauben, dass du den Teufel auf dem Hexentanzplatz gesehen hast, werden sie nun auch Angst vor dir haben.«
Barnabas trat einige Schritte auf sie zu und sagte: »Mein Begleiter Servatius und ich werden bald weiterziehen. Wir würden uns um dich kümmern. Es wird dir bei uns gut gehen. Möchtest du uns begleiten?«
Maria überlegte und fuhr sich dabei mit der rechten Handfläche ständig über ihr Haar. »Wohin werden wir gehen?«, wollte sie wissen.
»Wir werden böse Menschen suchen und dafür sorgen, dass sie keinen Schadenszauber mehr ausüben und niemandem mehr Schlimmes antun.«
Maria legte den Kopf erneut leicht schief und sah Barnabas in die Augen. Es kam ihm vor, als wolle sie sein Wesen erforschen. Nach einigen Augenblicken nickte sie. »Ich werde mit dir kommen.«
Barnabas wurde warm ums Herz. Der Magier lächelte das Mädchen an, das seine Tochter hätte sein können. Während sie ihn betrachtet hatte, glaubte er ihre verletzte Seele zu erkennen. Auch wenn das Mädchen einen verwirrten Eindruck machte, ahnte Barnabas, dass sich hinter der Wut und Boshaftigkeit, mit der das Mädchen seine Beschuldigungen gegen die Mutter vorgetragen hatte, mehr verbergen musste als Trotz und Starrsinn eines heranwachsenden Kindes. Auch für einen Mann mit seiner Lebenserfahrung wäre es eine Herausforderung zu ergründen, was hinter Marias scheinbarer Gleichgültigkeit und ihrer Anklage gegen die Mutter steckte.
Kapitel 19
Ein weiterer Tag in diesem Loch, dachte Bonner, als er den schwachen Lichtstrahl des erwachenden Morgens entdeckte, der weit oben durch eine Spalte im Gemäuer in sein Verlies fiel. Der Schein reichte nicht bis auf den
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