Der Hexer - GK571 - Tyrann aus der Tiefe
»Fremde?«
»Es sind sieben Männer, die über den Ozean gekommen sind. Beseitige sie.«
»Alle? Ich soll –« Der Mann brach ab, atmete hörbar ein und sprach erst nach einer geraumen Weile weiter. »Du kannst nicht verlangen, daß ich sieben Menschen töte. Acht, wenn ich O’Banyon mitzähle. Ich bin kein Mörder.«
Die Stimme lachte, und das grüne Licht flammte zu noch gleißenderer Helligkeit auf. Ein helles, zischendes Geräusch wurde hörbar. »Du bist kein Mörder? Wieviele Unschuldige hast du im Laufe der letzten vierzehn Jahre der Bestie geopfert?«
»Das war etwas anderes. Ich mußte es tun, weil es Teil des Paktes war.«
»Und mir zu gehorchen ist ebenso Teil des Paktes, Narr. Warum, glaubst du, habe ich dir diese Macht gegeben? Damit du sie zu eurem Vorteil nutzen kannst, aber nichts zu tun brauchst, wenn ich deiner Hilfe bedarf?«
Der Mann schwieg. Er hatte sich diese Frage bereits unzählige Male gestellt, aber bisher keine Antwort darauf gefunden. Ebensowenig wie auf die Frage, ob er nicht im Endeffekt doch den schlechteren Teil dieses Geschäftes gemacht hatte.
Vielleicht bekam er erst jetzt die Rechnung präsentiert.
»Du wirst sie töten«, fuhr die Stimme fort.
Diesmal widersprach der Mann nicht mehr, sondern neigte nur noch gehorsam das Haupt ...
** *
Es wurde Mittag, ehe wir das Dorf erreichten, und die Uhr schlug annähernd drei, bis wir unseren Gefangenen endlich bei der Polizei abgeliefert und alle Fragen des zuständigen Constablers beantwortet hatten. Jedenfalls zu seiner momentanen Zufriedenheit. Er hatte mir die Geschichte, die ich ihm erzählt hatte, nicht hundertprozentig geglaubt, und ich hätte nicht einmal der Sohn eines Hexers sein müssen, um das zu spüren. Dabei war Constabler Donhill ein durchaus umgänglicher Mensch; leider auch ein ziemlich kleingeistiger. Und wie bei fast allen Menschen, die Gott nicht gerade mit einem Übermaß an Intelligenz gesegnet hatte, hörte seine Umgänglichkeit an dem Punkt auf, wo er nicht mehr verstand, was man von ihm wollte.
Und diese Schwelle lag bei ihm ziemlich niedrig.
Ich fühlte mich vollkommen erschöpft, als ich an Bannermanns Seite die Polizeiwache verließ. O’Banyon war, an Händen und Knien mit Handschellen gebunden und zusätzlich auf einer Liege festgeschnallt, damit er nicht wieder anfing zu toben und sich dabei selbst verletzte, in Donhills einziger Zelle zurückgeblieben. Wenigstens den Namen unseres unfreiwilligen Reisebegleiters hatten wir in Erfahrung bringen können, mehr aber auch nicht. Constabler Donhill schien ganz genau zu wissen, wer dieser O’Banyon war und was er draußen am See gesucht hatte, aber er hatte geschwiegen wie eine Auster, und irgend etwas hatte mich davor gewarnt, zu viele und zu neugierige Fragen zu stellen. Donhill war ein freundlicher Mann, aber unter der dünnen Maske, die er trug, verbarg sich ein tiefsitzendes Mißtrauen allen Fremden gegenüber, das spürte ich.
Ich blieb stehen, als wir die Polizeiwache verlassen und die breite, ungepflasterte Hauptstraße zwei Blocks weiter südlich erreicht hatten. Das Meer war von hier aus nicht mehr zu erkennen, wohl aber zu spüren. Ein klammer Salzwasserhauch wob sich unmerklich in die Wärme des Hochsommertages, und wenn man ganz genau hinhörte, konnte man sogar das Rauschen der Brandung hören. Goldspie lag am Ufer eines schmalen Flusses, dessen Namen ich mir nicht gemerkt hatte, aber es lag in einer Senke, aus der heraus der Blick auf den Ozean unmöglich war.
»Was haben Sie?« fragte Bannermann, als ich stehenblieb. Die Männer waren schon vorausgegangen und hatten Zimmer im einzigen Hotel des Ortes bezogen, und nach allem, was wir mitgemacht hatten, konnte ich es Bannermann nicht verdenken, wenn er sich ebenfalls nach einer warmen Mahlzeit und einem sauberen Bett sehnte.
»Gehen Sie ruhig vor, Captain«, sagte ich ausweichend. »Ich komme in ein paar Minuten nach.«
Bannermann sah mich stirnrunzelnd an, und ich fügte hastig hinzu: »Ich will noch zur Bank, ehe sie schließt. Es wäre doch peinlich, wenn wir im Hotel nicht einmal unser Abendessen bezahlen könnten, oder?«
In Wirklichkeit war das nur eine Ausrede. Ich wollte allein sein. Ich brauchte diese Zeit, nur ein paar Minuten, um Ordnung in meine Gedanken zu bringen und mich zu beruhigen. Schon am See war mir seltsam zumute gewesen, jetzt, nachdem wir mit Donhill gesprochen hatten, fühlte ich mich verwirrter als zuvor. Manchmal konnte die Gabe, die ich von meinem Vater
Weitere Kostenlose Bücher