Der Hexer - GK575 - Die Hexe von Salem
einem gellenden Schrei die Zügel an; die Pferde scheuten, brachten die schwere Kutsche zum Stehen und schlugen wütend mit den Vorderläufen aus.
»Robert! Bleib liegen!!«
Ich gehorchte instinktiv, obwohl ich viel zu verwirrt war, um die Stimme auch nur zu erkennen. Mühsam wälzte ich mich auf den Rücken und sah, wie der Kutscher mit einem kraftvollen Satz vom Bock sprang. Gleichzeitig flog die Tür der Karosse auf, und eine schmale, in einen eleganten grauen Sommeranzug gekleidete Gestalt sprang ins Freie.
Howard!
Mein Blick suchte das Ungeheuer. Die Bestie hatte in den wenigen Augenblicken aufgeholt; mein Vorsprung – wenn man bei einem Mann, der lang ausgestreckt und halb gelähmt vor Schmerzen und Angst auf dem Straßenpflaster lag, noch von Vorsprung sprechen konnte – war auf weniger als zwanzig Schritte zusammengeschmolzen.
Ungläubig sah ich, wie Howard an mir vorüberstürmte und dem Ungeheuer ohne das geringste Zeichen von Furcht entgegenlief. In seiner rechten Hand lag ein kleines, graues Etwas.
»Howard!« brüllte ich verzweifelt. »Nicht! Es bringt dich um!«
Howard reagierte nicht. Er lief weiter, blieb erst drei Schritte vor dem Monster stehen und riß den rechten Arm zurück. Das kleine Ding, das er in der Hand gehalten hatte, flog in einem perfekten Bogen durch die Luft und klatschte gegen die Brust des Unholdes.
Das Ergebnis war verblüffend. Das Monster blieb so abrupt stehen, als wäre es vor eine unsichtbare Mauer geprallt. Eine zuckende, wellenförmige Bewegung jagte über seinen Körper. Seine Arme peitschten.
Dann begann es zum zweiten Male zu zerfließen. Aber diesmal war es anders. Sein Leib löste sich nicht in grünen Schleim auf, sondern verdampfte!
Dort, wo Howards Wurfgeschoß getroffen hatte, begann sich grauer Rauch von seiner Brust zu kräuseln. Das Schleim-Fleisch – oder was immer es sein mochte – begann zu kochen, zu brodeln und wie in Krämpfen hin und her zu wogen. Mehr und mehr Rauch quoll hoch, und ich glaubte ein leises, fast elektrisches Knistern zu hören.
Es dauerte nicht einmal eine Minute. Der Rauch wurde so dicht, daß er mir die Sicht auf das Ungeheuer verwehrte, aber als er sich verzog, war nicht mehr die geringste Spur von ihm zu sehen. Nur dort, wo es gestanden hatte, lag das kleine, graue Ding.
Howard ging mit raschen Schritten zu der Stelle hinüber, bückte sich und hob den Gegenstand, den er geworfen hatte, mit einem flüchtigen, triumphierenden Lächeln auf. Eine Hand berührte mich an der Schulter, und als ich aufsah, blickte ich in ein breitflächiges, dunkles Gesicht, das mich besorgt musterte. Ich hatte nicht einmal gemerkt, daß Rowlf neben mir niedergekniet war. »Alles in Ordnung?« fragte er.
»Ja«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Rowlf lächelte, schob seine gewaltigen Pranken unter meinen Rücken und richtete mich ohne sichtbare Anstrengung auf.
»Was ... mein Gott, was war das?« stammelte ich hilflos. Rowlf antwortete nicht, sondern stand schweigend auf und stellte mich wie ein Spielzeug auf die Füße, stützte mich aber, als mein verletzter Fuß unter dem Gewicht meines Körpers nachzugeben drohte.
»Bring ihn in die Kutsche«, sagte Howard. Rowlf knurrte irgend etwas, nahm mich kurzerhand auf die Arme und trug mich trotz meiner Proteste in die Kutsche. Behutsam setzte er mich ab, lächelte noch einmal und ging wieder nach vorne zum Bock. Wenige Sekunden später stieg auch Howard gebückt zu mir hinein, zog die Tür hinter sich zu, und der Wagen setzte sich in Bewegung.
»Das war knapp«, sagte er lächelnd, nachdem er sich gesetzt und mich einen Moment lang prüfend angesehen hatte.
»Ich ... ich danke dir für die Hilfe«, murmelte ich verstört. »Aber woher ...«
Howard lächelte. »Woher ich es gewußt habe? Gar nicht. Aber ich hatte das Gefühl, daß es besser ist, wenn ich dir nachfahre. Wie sich gezeigt hat, hat es nicht getrogen.«
»Was war das?« fragte ich. »Dieses Ungeheuer ...«
»Ein Shoggote«, antwortete Howard gelassen. »Ein kleiner Bruder von Yog-Shoggot, wenn du so willst.« Er schwieg einen Moment und beugte sich vor, um meinen verletzten Fuß zu begutachten. »Aber das erkläre ich dir alles später«, fuhr er in verändertem Tonfall fort. »Jetzt bringe ich dich erst einmal zu einem befreundeten Arzt. Und danach fahren wir gemeinsam ins Hotel und packen. Ihr seid dort nicht mehr sicher.«
»Und der Anwalt?«
Howard winkte ab. »Dr. Gray ist nicht nur mein Anwalt«, sagte er, »sondern
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