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Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen

Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen

Titel: Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Grabstein zu. Als er näherkam, sah er, daß es der Eingang einer Gruft war, schräg aus dem Boden ragend wie der Bug eines im Schlick versunkenen Schiffes. Über der zugemauerten Tür waren Buchstaben in den Stein geschlagen:

    Ly-e-ett

    Howard blieb stehen: Sein Blick saugte sich an den zerfallenen Lettern fest, und irgend etwas in seinem Innern schien zu gefrieren. Es war ein Wort in einer Sprache, die er nie zuvor in seinem Leben gehört oder gesehen hatte, aber der eigenen Logik der Träume folgend, verstand er es.
    Er wußte, was dieses Wort bedeutete. Ly-e-ett…

    Den man den Hexer nennt

    Als wäre dieser Gedanke ein Auslöser gewesen, begann sich die Gruft zu öffnen. Der grau gewordene Ziegelstein verblaßte wie ein Trugbild, und ein unheimliches, grünblau flackerndes Licht floß wie zähflüssiges Wasser die Stufen der schmalen Steintreppe hinauf, die dahinter zum Vorschein kam. Eine Gestalt erschien, groß, unscharf wie ein Schatten, der an den Rändern zerfaserte, düster und seltsam unfertig.
    »Roderick?« flüsterte Howard. Seine Stimme bebte.
    Die Gestalt kam näher, blieb auf der obersten Stufe stehen und sah ihn an. Die körperlosen Nebel vor ihrem Gesicht zerstoben, und Howard begegnete dem Blick zweier dunkler, wissender Augen.
    »Roderick!« keuchte er. »Du –«
    Andara hob die Hand und machte eine abwehrende Geste, als Howard auf ihn zustürzen wollte. »Komm nicht näher, Howard«, sagte er. »Ich bin nicht wirklich. Du kannst mich nicht berühren.«
    »Aber was... was bedeutet das?«
    Andara lächelte; das gleiche, stets sanfte und stets auch immer ein wenig traurige Lächeln, das Howard so gut an ihm kannte. »Du mußt meinem Sohn helfen, Howard«, sagte er. »Er ist in Gefahr. In einer schrecklichen Gefahr. Du mußt ihn warnen.«
    Etwas blitzte hinter seinen Zügen auf, ein Schatten von Schmerz und Schrecken, der schneller verging, als Howard ihn wirklich erfassen konnte. »Robert«, sagte er noch einmal. »Hilf Robert, Howard.«
    »Was soll ich tun?« fragte Howard verwirrt. »Ich weiß ja nicht einmal, wo er ist.«
    »Hilf ihm«, beharrte Andara. »Ich flehe dich im Namen unserer Freundschaft an, Howard, rette meinen Sohn!«
    Und damit begann er zu verblassen. Sein Körper wurde wieder zu einem Schatten, schließlich zu einem kaum sichtbaren, dunklen Hauch. Dann war er verschwunden, und mit ihm die Tür und die Treppe, und vor Howard erhob sich wieder die massive Wand aus grauem Ziegel.
    Aber Howard starrte noch lange auf die Stelle, an der er gestanden hatte. Hilf meinem Sohn, wiederholte er Andaras Worte in Gedanken. Aber was sollte er tun?
    Plötzlich geschah etwas Sonderbares: im gleichen Moment, in dem er an Robert Craven dachte, sah er sein Gesicht vor sich. Nicht wirklich, wie die Gestalt Andaras gerade, sondern vor seinem geistigen Auge, aber dafür mit fast übernatürlicher Klarheit. Roberts Gesicht, eingebettet in ein Meer von Schwärze, verzerrt vor Angst und Entsetzen. Seine Lippen bewegten sich wie zu einem stummen Schrei, und in seinen Augen flackerte das absolute Grauen.
    »Robert!« schrie Howard. Instinktiv streckte er die Hand aus, und obwohl alles, was er sah, nichts als Illusion war, reagierte Robert auf diese Geste. In seinem Blick glomm Erkennen auf.
    »Hilf... mir!« stöhnte er.
    Howard verdoppelte seine Anstrengungen. Mit aller Macht dachte er an Robert, versuchte ihn herbeizuzwingen und spürte, wie –
    die Grabreihen und Wege verblaßten, graugewordener, mürber Stein nahm den Platz von lockerem Kies ein, und wo verfallene Kreuze und Unkraut gewesen waren, lagen Kleiderfetzen und Lachen braun eingetrockneten Blutes.
    Howard schrie auf. Die Vision hatte nur eine Sekunde gedauert, aber er begriff plötzlich, daß alles, was er zu sehen glaubte, nichts als Schein war. Er war noch immer in der unterirdischen Halle. Die Gruft, Andara, seine Worte – alles war nichts als Lüge gewesen. Eine geschickte Täuschung, die Shub-Niggurath seinem Geist aufgezwungen hatte. Irgendwo tief, tief in seinem Bewußtsein glaubte er ein häßliches, abgrundtief böses Lachen zu hören.
    Und plötzlich begriff er auch, warum.
    Aber da war es zu spät.

    * * *

    Mein Gesicht lag in etwas Kühlem, widerlich Weichem. Fäulnisgeruch drang in meine Nase, und zwischen meinen Schulterblättern war ein quälender Schmerz. Ich versuchte zu atmen, hatte plötzlich den Mund voller feuchtem, moderig schmeckendem Erdreich und fuhr mit einem Schrei hoch.
    Das erste, was ich sah, war der

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