Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen
Das TIER. Die schwarze Ziege mit den tausend Jungen.« Sie lächelte. »Er hat viele Namen, und jeder einzelne ist so richtig wie falsch. Aber er gehört nicht zu denen, die Sie die GROSSEN ALTEN nennen. Nicht so, wie Sie glauben.«
»Was bedeutet das?« schnappte Howard, aber diesmal antwortete das Mädchen nicht mehr, sondern preßte nur die Lippen aufeinander.
»Sie haben schon viel zu viel erfahren«, sagte sie schließlich. »Mehr, als ich hätte sagen dürfen. Kommen Sie. Er wartet nicht gerne.«
Sie gingen weiter und legten den Rest des Weges schweigend zurück. Das Mädchen führte ihn zurück in die Halle, in der er das Erscheinen Shub-Nigguraths beobachtet hatte, deutete mit einer befehlenden Geste nach vorne und entfernte sich wieder.
Howard mußte all seine Kraft zusammennehmen, um weiterzugehen.
Die Halle hatte sich auf schreckliche Weise verändert. Im ersten Moment erschien sie ihm größer und düsterer als beim ersten Mal, dann sah er, daß sie sich nur geleert hatte. Statt der zweihundert Männer und Frauen, die er vor Wochenfrist gesehen hatte, befand sich nur noch ein knappes Dutzend Menschen in dem großen, kuppelförmigen Saal.
Und in seiner Mitte hockte das Ding.
Howards Magen krampfte sich zu einem stacheligen Klumpen zusammen, als er sah, auf welche Weise sich Shub-Niggurath verändert hatte.
Aus dem zuckenden Klumpen war ein elefantengroßer, aufgedunsener Balg glitzernden schwarzen Fleisches geworden, eine titanische Scheußlichkeit, die wie ein pulsierendes Krebsgeschwür in der Mitte der Halle hockte, zuckende Tentakeln wie die Stränge eines feucht-schwarzen Spinnennetzes in alle Richtungen streckend, mit zahllosen, schnappenden Mäulern und mehr als einem Dutzend gewaltiger blinder Augen, die wie gräßliche Blüten auf langen, glitzernden Stielen wippten. Howard wurde schlecht.
KOMM NÄHER, MENSCHENWURM! dröhnte eine Stimme in seinen Gedanken.
Howard krümmte sich wie unter einem Schlag. Verzweifelt bemühte er sich, dem befehlenden Klang der lautlosen Stimme zu widerstehen, aber sein Wille zerbrach wie eine Glasscheibe unter dem Tritt eines Riesen. Gegen seinen Willen setzten sich seine Beine in Bewegung und trugen ihn auf den zuckenden Giganten zu. Sein Blick folgte den dünnen, glitzernden Fäden, die von seinem mißgestalteten Leib ausgingen. Sie waren unterschiedlich lang und zum Teil ineinander verflochten – aber alle endeten in kleinen, schmierigen Flecken aus zerfallenem Stoff, Leder- und Metallfetzen und geborstenem Stein. Er stöhnte innerlich auf, als er begriff, daß das Opfer, dessen Zeuge er geworden war, nicht das letzte gewesen war.
Zwei Schritte vor der schwarzen Scheußlichkeit blieb er stehen. Sein Mund war voll bitterer Galle, und er spürte, daß er sich gleich übergeben würde. Trotzdem hob er den Kopf und raffte all seine Kraft zusammen, um dem Blick der gigantischen trüben Augen Shub-Nigguraths standzuhalten.
»Was... was willst du von mir?« stöhnte er.
NICHTS, antwortete das Ding, WAS DU MIR FREIWILLIG GEBEN WÜRDEST. ABER DAS SPIELT KEINE ROLLE. DU WIRST MIR DIENEN WIE ALLE ANDEREN.
»Wenn du mich töten willst, dann tu es«, sagte Howard trotzig.
Die Antwort bestand aus einem lautlosen, bösen Lachen in seinen Gedanken.
NARR, flüsterte die Stimme. DU WIRST STERBEN, ABER NICHT HIER UND NICHT JETZT. DEINE ZEIT IST NOCH NICHT GEKOMMEN.
»Wer bist du?« keuchte Howard. »Was bist du?«
NIEMAND, DER DIR RECHENSCHAFT SCHULDIG WÄRE, MENSCHENWURM! dröhnte die Stimme. UND NUN KNIE NIEDER!
Howard gehorchte. Ein helles, widerwärtiges Schmatzen drang aus dem aufgedunsenen Fleischberg vor ihm, dann klaffte seine Flanke auf wie eine gewaltige schwärende Wunde, und ein dünner, peitschender Faden ringelte sich auf Howard zu.
Gelähmt und hilflos mußte er ansehen, wie der Tentakel seinen Fuß berührte, an seiner Hose emporkroch und sich seinem Gesicht näherte. Ein unbeschreiblicher Ekel stieg in ihm hoch, aber die geistige Fessel Shub-Nigguraths war zu fest. Er konnte nicht einmal die Augen schließen.
Der Tentakel kroch weiter, näherte sich seinem Gesicht, berührte tastend sein Kinn, dann seine Unterlippe, zuckte zurück, kroch weiter und floß wie eine schwarze Schlange seinen Nacken hinauf. Ein dünner Schmerz bohrte sich in seinen Schädel.
ÖFFNE DEINEN GEIST! befahl das Ding.
Und Howard gehorchte.
* * *
Um mich herum war das Nichts. Es gab kein Oben und Unten, keine Richtungen, keinen Raum, keine Zeit. Ich hatte keinen
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