Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen
Körper mehr. Nicht einmal eine Stimme, um zu schreien.
Aber ich war nicht allein. Irgendwo in meiner Nähe war... Leben? Nein; kein Leben, denn Leben bedeutete die Existenz eines Körpers, von Materie. Wie ich war dieses andere nur eine Abstraktion, die bloße Idee von Leben.
Es waren zwei, die eine schwach wie eine nurmehr glimmende, schon halb im Verlöschen begriffene Kerzenflamme, die andere gleißend und hell wie ein Stern.
Sie spürten meine Anwesenheit im gleichen Moment wie ich die ihre. Etwas näherte sich meinem Geist, tastend und unsicher zuerst, dann zielstrebiger, mit einem heftigen Gefühl der Erleichterung.
Shadow? dachte ich.
Ich bin hier, antwortete der Engel.
Wo sind wir? fragte ich.
Im Inneren des Obelisken, sagte Shadow. Im Nichts. Im Raum zwischen dem Raum.
Das ist keine Erklärung.
Ich weiß, antwortete Shadow. Aber du würdest die Wahrheit nicht verstehen. Auch ich verstehe sie nicht. Es ist das Nichts. Der Raum hinter dem Tor.
Dann sind wir nicht entkommen? Ist das der Tod?
Nein. Nicht der Tod. Aber vielleicht Schlimmeres. Der Tod endet. Dies ist die Ewigkeit.
Obwohl ich kaum jedes dritte Wort wirklich verstand, ließ mich das Gehörte schaudern. Der Gedanke, für alle Zeiten in dieser fürchterlichen Leere schweben zu sollen, war unerträglich.
Was ist geschehen? fragte ich. Die Spinne...
War nur ein weiterer Wächter, sagte Shadow. Ein Dämon, den der Kristall zu Hilfe rief, als er spürte, daß er deiner Macht nicht gewachsen war. Es war nicht dein Fehler, Robert. Ich trage die Schuld. Ich hätte wissen müssen, daß die Macht eines Menschen nicht reicht, den Fluch des TIERES zu brechen. Nicht einmal die Macht eines Hexers.
Aber ich habe das Tor geöffnet! protestierte ich.
Nur seinen Eingang, sagte Shadow sanft. Den Weg hinein in die Ewigkeit der Alpträume, Robert. Du hast ihn aufgestoßen, aber der Weg hinaus blieb verschlossen.
Dann sind wir... gefangen? fragte ich stockend. Für alle Ewigkeiten?
Es dauerte lange, bis Shadow antwortete.
Vielleicht, sagte sie. Wenn es mir nicht gelingt, einen Ausgang zu finden. Doch mir bleibt nicht viel Zeit. Ich darf hier nicht sein. Meine Kraft schwindet bereits.
Ich verstand nicht gleich, was sie meinte, und so fuhr sie fort: Ich bin nicht wie du, Robert. Wir El-o-hyn sind so wenig von eurer Welt wie die, die du die GROSSEN ALTEN nennst. Ich kann eine Weile unter euch leben, doch meine Kraft schwindet mit jeder Stunde. Dieser Obelisk ist ein Ort, der mir verboten war. Ich hätte ihm niemals nahe kommen dürfen. Ich werde vergehen, gelingt es mir nicht, einen Ausweg zu finden.
Und wir?
Ihr werdet bleiben, antwortete Shadow. Für alle Zeiten.
Lange, sehr lange schwiegen wir beide, und ich spürte, wie Shadow irgend etwas tat, etwas, das so fremdartig und düster war, daß ich instinktiv davor zurückschreckte. Schließlich hielt sie inne. Ich spürte, wie erschöpft sie war.
Hast du einen Weg gefunden?
Vielleicht, antwortete sie matt. Ihre Stimme klang, als käme sie von weit, weit her. Ich brauche deine Hilfe. Doch zuvor muß ich Kraft sammeln. Es bleibt nicht mehr viel Zeit.
Was muß ich tun?
Denke an jemanden, den du liebst, sagte Shadow. Jemanden, der deinen Ruf hören kann. Jemanden, der dich versteht. Denke mit aller Kraft an ihn. Nur so findest du den Weg zurück in deine Welt.
Du? wiederholte ich.
Du und Lady Audley.
Und... du??
Mach dir um mich keine Sorgen, antwortete sie, eine Spur zu hastig, wie ich fand. Mein Schicksal war besiegelt, als ich den Obelisken berührte. Aber ich werde dich retten. Dich und Lady Audley.
Ihre Worte versetzten mir einen scharfen, schmerzhaften Stich.
Du wirst sterben, sagte ich. Und es ist meine Schuld.
Unsinn.
Doch, beharrte ich. Ich habe dich gezwungen, diesen Weg zu wählen. Du hättest aus der Höhle fliehen können, hätte ich nicht darauf bestanden, Lady Audley mitzunehmen.
Es war richtig so, sagte Shadow. Sie schwieg einen Moment, und als sie weitersprach, klang ihre Stimme auf sonderbare Weise verändert.
Ihr Menschen seid seltsame Geschöpfe, sagte sie. Ihr liebt das Leben über alles, und doch opfert ihr es bedenkenlos, um das anderer zu schützen. Wo ist die Logik in diesem Verhalten?
Es ist nichts anderes als das, was du getan hast, erwiderte ich, aber erneut widersprach mir Shadow.
Es ist ein Unterschied. Für uns El-o-hyn ist der Tod nicht das Ende. Ich werde diesen Körper verlieren, aber mein Selbst wird weiterleben.
El-o-hyn. Es war das zweite Mal, daß
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