Der Hexer - NR12 - Im Land der GROSSEN ALTEN
versetzten.«
Fassungslos starrte ich erst sie, dann Dagon und dann wieder sie an. »Und nachdem all das geschehen ist, versuchen sie erneut, diese Ungeheuer zu beschwören?«
Shadow nickte ernst. »Barlaam ist besessen«, sagte sie. »Er weiß, daß er die Schuld am Untergang seines Volkes trägt, und er glaubt, alles rückgängig machen zu können.«
»Aber das ist doch verrückt!« keuchte ich. »Alles wird sich wiederholen! Ich war dort, Shadow. Ich habe gesehen, was sie tun. Ich habe diese Ungeheuer gespürt! Er wird sie so wenig beherrschen wie das erste Mal. Sie werden ihn vernichten, ihn und alle, die bei ihm sind! Es ist völliger Irrsinn!«
»So, wie Barlaam irrsinnig ist«, mischte sich Dagon ein. Shadow sah verärgert auf, aber ich brachte sie mit einer Geste zum Schweigen und wandte mich an den Mann mit dem Fischgesicht.
»Wie meinst du das?«
»Das fragst du noch?« höhnte Dagon. »Du hast die Grube gesehen. Du hast gesehen, wie er ihnen Menschen geopfert hat. Glaubst du, Ayron und ich wären die einzigen, die sich vor jenen in der Tiefe fürchten?«
»Warum dient ihr ihnen dann?« fragte ich.
Dagon schnaubte. »Weil wir es müssen«, sagte er. »Wir haben Barlaams Versprechungen geglaubt, und als wir begriffen, daß er den Tod über Maronar gebracht hat, war es zu spät. Der Tempelberg ist alles, was geblieben ist. Maronar ist zerstört. Nur die, die bei Barlaam blieben, konnten ihr Leben retten. Eine Handvoll Männer von einem Volk, das tausendmal mächtiger ist, als es deine lächerliche Rasse jemals werden wird.«
»Dann löst euch von Barlaam«, sagte ich. »Wenn ihr alle so denkt, dann jagt ihn zusammen mit seinen THUL SADUUN zum Teufel.«
Dagon starrte mich an und preßte wütend die Kiefer aufeinander, antwortete aber nicht mehr. Statt dessen gab Shadow einen seufzenden Laut von sich und schüttelte den Kopf.
»Das ist sinnlos, Robert«, sagte sie. »Er ist kein Mensch, vergiß das nicht. Laß dich nicht von seinem Äußeren täuschen. Er denkt nicht wie du. Nicht einmal wie ich. Dagon ist nichts gegen Barlaam. Er und die beiden anderen Meistermagier sind mächtiger als alle anderen zusammen. Und sie haben die Macht der THUL SADUUN auf ihrer Seite.«
Ich schauderte. Wie in einer blitzartigen Vision glaubte ich die unterirdische Höhle zu sehen, in der wir auf Shub-Niggurath gestoßen waren. THUL SADUUN... Das waren die beiden Worte gewesen, die seine Anhänger wie im Gebet hervorgestoßen hatten, immer und immer wieder. Der Name der Dämonen hatte die Zeiten überdauert, und ich hatte das sichere Gefühl, daß es nicht nur ihr Name war. Großer Gott, wie mächtig mußten sie sein, die Erinnerung an sich über hunderte von Jahrmillionen am Leben zu erhalten?
»Wer sind sie?« fragte ich. »Die THUL SADUUN – die gleichen Wesen, die wir als die GROSSEN ALTEN kennen?«
Shadow schüttelte den Kopf. »Nein. Sie... ähneln ihnen. Sie waren ihre Diener, bis wir...« Sie brach ab, biß sich auf die Lippen und sah beinahe erschrocken in Dagons Richtung, aber der Ausdruck auf dem Gesicht des Fischmannes blieb unverändert.
»Sie waren die Sklaven der GROSSEN ALTEN«, begann Shadow von neuem, und ich tat so, als wäre mir das unmerkliche Stocken in ihren Worten nicht aufgefallen. »Wesen, die von den Dämonen aus dem All erschaffen wurden, um ihnen zu dienen, denn sie waren wenig; zu wenig, um über eine ganze Welt zu herrschen. Du kennst die Geschichte der GROSSEN ALTEN?«
»In groben Zügen«, log ich. Shadow nickte.
»Dann weißt du, daß sie vernichtet wurden, von den ÄLTEREN GÖTTERN, die von den Sternen kamen wie sie selbst. Mit ihnen vergingen ihre Sklaven, die THUL SADUUN. Auch sie waren unsterblich, wie jene, die sie erschaffen haben, und wie sie wurden sie verbannt in die Abgründe jenseits der Zeit.«
»Und Barlaam –«, begann ich.
»Öffnete das Gefängnis, in das sie verbannt wurden. Es waren die GROSSEN ALTEN selbst, die er rufen wollte, aber er war trotz seiner Macht unerfahren und dumm und beschwor sie: jene in der Tiefe. Er hat dafür bezahlt, mit dem Untergang seines Volkes. Ein schrecklicher Preis.«
Die Kälte, mit der Shadow über die Vernichtung einer ganzen Kultur sprach, ließ mich schaudern. Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann empfand auch ich nichts als Neugier, während ich ihren Worten lauschte. Vielleicht waren hunderte von Jahrmillionen einfach eine zu große Distanz, um mehr als Neugier empfinden zu können.
Das einzige, was mir Angst
Weitere Kostenlose Bücher