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Der Hexer - NR16 - Die Prophezeiung

Der Hexer - NR16 - Die Prophezeiung

Titel: Der Hexer - NR16 - Die Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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schlimmer sein. Sie hatten ihrem Gott vertraut – und waren so grausam enttäuscht worden.
    Jennifers Augen waren voller Tränen, als sie aufsah und erst mich und dann McGillycaddy anblickte. »Warum?« fragte sie leise. Ihre Stimme klang tonlos.
    McGillycaddy schürzte trotzig die Lippen. »Du hast es doch gesehen, oder?« schnappte er. »Sie wollte mich umbringen.«
    »Halten Sie den Mund, McGillycaddy«, sagte ich.
    Der Schotte fuhr herum, starrte mich an und stemmte trotzig die Fäuste in die Hüften. »Warum sollte ich?« fragte er wütend. »Sie waren doch dabei, Craven. Sagen Sie ihr, wie es war. Sagen Sie ihr, daß –«
    »Sie sollen den Mund halten!« sagte ich. Eine kalte, bodenlose Wut kroch in mir empor.
    »Ich denke ja nicht daran!« brüllte McGillycaddy. »Diese Schlampe wollte mich umbringen. Sie hat dort oben gewartet, um sich zusammen mit mir in die Tiefe zu stürzen. Sie wollte mich ermorden, so dramatisch wie möglich –«
    Das reichte! McGillycaddy sah meine Faust nicht einmal kommen. Der Hieb war so heftig, daß ich für Sekunden beinahe fürchtete, ihn umgebracht zu haben. Aber dann erhob er sich, blinzelte den Schmerz fort und fuhr sich mit dem Handrücken über seine aufgeplatzte Lippe. Sein Blick tastete über die reglose Gestalt der toten Frau. Aber er besaß wenigstens jetzt genug Klugheit, den Mund zu halten. Ich bin an sich kein jähzorniger Mensch, aber hätte er jetzt auch nur noch einen Ton von sich gegeben, hätte ich ihn umgebracht. McGillycaddy schien das zu spüren.
    »Es tut mir leid, Jennifer«, sagte ich leise. »Ich... ich konnte nichts tun.«
    Jennifer versuchte zu lächeln, aber es mißlang. »Es war nicht Ihre Schuld, Robert«, sagte sie matt. »Sie... sie wollte sterben, glaube ich. Sie hat sich versteckt, um McGillycaddy aufzulauern, aber ich... ich dachte nicht, daß...« Sie sprach nicht weiter, sondern begann plötzlich heftiger zu weinen. Ich streckte die Arme aus, um sie beruhigend an mich zu ziehen, aber Jennifer wich mir aus, erhob sich plötzlich und deutete mit einer Kopfbewegung nach vorne. »Was ist das?« fragte sie.
    Für einen Moment war ich so betroffen, daß ich nicht einmal antworten konnte. Dann begriff ich. Der Strudel und der heulende Sturm interessierten sie nicht wirklich. Es war nur ihre Art, mit dem Schmerz fertig zu werden; ihn zu betäuben.
    »Werden wir sterben?«
    Eine einzige, endlose Sekunde lang starrte ich sie an, dann stand ich ebenfalls auf und sagte entschlossen: »Nein. Nicht, wenn ich es verhindern kann.«
    Jennifer sah mich fragend an, aber ich sprach nicht weiter, sondern wandte mich um, riß McGillycaddy grob an den Rockaufschlägen in die Höhe und zerrte das Amulett aus seiner Tasche. Ohne ein weiteres Wort fuhr ich herum, stieß einen Mann beiseite, der nicht rasch genug Platz machte, und stürmte zum Achterdeck hinauf.
    Eine leise, bohrende Stimme hinter meinen Gedanken begann zu flüstern, daß es Wahnsinn war, was ich tun wollte, daß das Leben von zweihundert Menschen nichts war gegen das Leid und das Unheil, das vielleicht über die Welt hereinbrechen würde, wenn Necron in den Besitz dieses Amulettes kam. Aber ich lief eher noch schneller. Zum Teufel – was scherte mich dieses »vielleicht«; ich war ein Mensch und keine Maschine, die nach streng logischen Gesichtspunkten entscheidet. Niemand konnte von mir verlangen, kaltlächelnd zuzusehen, wie zweihundert unschuldige Menschen einen grausamen Tod fanden!
    Ich erreichte das Achterdeck, drehte mich wieder zum Bug und bildete mit den Händen einen Trichter vor dem Mund.
    »Shannon!«, schrie ich, so laut ich konnte. »Shannon, ich weiß, daß du mich hörst. Zeige dich! Ich will mir dir reden!«
    Im ersten Moment erfolgte keinerlei sichtbare Reaktion. Dann bewegte sich etwas in den Schatten jenseits der wartenden Menge, und eine Gestalt, gekleidet in die Farben der Nacht und von schlankem Wuchs, trat auf das Deck des Schiffes heraus. Hinter ihm erschien ein zweiter Drachenkrieger, dann ein dritter, vierter, fünfter.
    »Was willst du?« fragte Shannon.
    Sekundenlang starrte ich ihn an, und wieder glaubte ich die flüsternde, drängende Stimme zu hören, die mir zuschrie, das Amulett lieber über Bord zu werfen, statt es diesen Männern auszuliefern. Ich ignorierte sie.
    So rasch ich konnte, lief ich die Treppe wieder herab und ging auf die fünf Schwarzgekleideten zu. Der Wind bauschte ihre Umhänge, und es sah aus, als bewegten sich die daraufgestickten Drachen

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