Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan
tausend Menschen. Wir werden kaum alle retten können, aber jeder Moment ist kostbar. Dein fischgesichtiger Freund wird zusammen mit dem Vulkan in die Luft fliegen.«
»Und Shannon auch«, fügte ich düster hinzu.
Howard wich meinem Blick aus. »Ich fürchte es«, murmelte er. Er schwieg einen Moment, sah mich dann doch an und fragte: »Du magst ihn sehr, wie?«
»Ich... ich weiß nicht«, antwortete ich ausweichend. »Bis vor ein paar Tagen dachte ich, er wäre mein Freund, aber jetzt...« Ich suchte vergeblich nach den passenden Worten. Wie hätte ich die Enttäuschung, ja, das Entsetzen, mit dem mich Shannons so plötzliche Verwandlung erfüllt hatte, auch ausdrücken sollen?
»Wir können nichts für ihn tun«, sagte Howard leise. »Nicht, wenn er wirklich zu Dagon gegangen ist.«
»Ich könnte versuchen, ihn herauszuholen«, sagte ich.
Howard lachte. Es klang nicht besonders amüsiert. »Nach allem, was du mir erzählt hast? Du bist verrückt, Junge.«
»Aber er ist wenigstens kein Verräter!« sagte eine Stimme hinter mir.
Howard fuhr auf und preßte wütend die Lippen zusammen, und auch ich drehte mich herum – und unterdrückte im letzten Augenblick einen erschrockenen Ausruf.
Das Schott hatte sich lautlos wieder geöffnet, und Nemo, Rowlf und Kapitän Harmfeld waren hereingekommen, begleitet von zwei Matrosen der NAUTILUS, die wie zufällig rechts und links von Harmfeld standen. Und einem jungen, dunkelhaarigen Mädchen, das Howard und mich abwechselnd mit zornsprühenden Blicken anstarrte.
»Jennifer!« entfuhr es mir. »Sie? Wie... wie kommen Sie hierher?« Ich sprang auf und eilte ihr entgegen, aber Jennifer ignorierte mich und ging mit schnellen Schritten auf Howard zu.
»Halten Sie so Ihr Wort, Lovecraft?« fauchte sie. »Wir hatten etwas anderes vereinbart.«
»Unsinn«, verteidigte sich Howard. »Wir haben versichert, daß wir Sie hierher bringen, mehr nicht. Und selbst wenn – es stehen Menschenleben auf dem Spiel, was gilt da ein gegebenes Wort?«
»Was hat das alles zu bedeuten?« fragte ich verstört »Wie kommen Sie hierher, Jenny?«
»Das fragst du besser deinen Freund Howard«, schnappte Jennifer wütend. »Wir hatten eine Abmachung.«
»Eine Abmachung?« Ich sah Howard an.
»Das stimmt«, gestand er. »Wir... haben versprochen, sie zu Dagon zu bringen. Als Gegenleistung hat sie uns verraten, wo du bist. Und wann«, fügte er mit sonderbarer Betonung hinzu.
»Und Sie betrügen mich«, sagte Jennifer böse. »Ich habe mein Wort gehalten und Sie zu Craven geführt. Jetzt bringen Sie mich zu Dagon.«
»Kindchen«, begann Howard, »das ist –«
Jennifer fuhr ihm mit einer wütenden Bewegung ins Wort. »Das ist, was wir vereinbart haben, Lovecraft. Ich habe mein Wort gehalten, jetzt halten Sie das Ihre. Wenn nicht –« Sie sprach nicht weiter, aber vielleicht war es gerade das, was ihren Worten ein solches Gewicht verlieh. Howard preßte die Lippen aufeinander, aber ich spürte, daß sein Zorn nicht ganz echt war; und daß sich eine Furcht dahinter verbarg, die ich nicht verstand.
Ehe er antworten und damit alles nur noch schlimmer machen konnte, trat ich zwischen ihn und das schwarzhaarige Mädchen, um so wenigstens den Blickkontakt zwischen den beiden ungleichen Kampfhähnen zu unterbrechen.
»Jenny«, sagte ich, »warum erzählen Sie mir nicht einfach, was geschehen ist. Vielleicht finden wir eine Lösung.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen«, antwortete sie wütend. »Ich hatte eine Abmachung mit Lovecraft und Nemo. Ich habe ihnen gesagt, wo Sie zu finden sind, und dafür haben sie sich verpflichtet, mich zu Dagon zu bringen.«
»Warum?« fragte ich. »Was versprechen Sie sich davon?«
»Das geht Sie nichts an«, antwortete sie wütend.
»Ich denke doch«, widersprach ich. »Sehen Sie, mir ist auch daran gelegen, Dagon zu finden, ehe hier alles in die Luft fliegt, aber wenn ich Ihnen helfen soll, dann muß ich wissen, auf welcher Seite Sie stehen, Jenny.«
»Siehst du das wirklich nicht, Robert?« fragte Howard leise. »Schau sie dir doch an. Sie liebt ihn. Sie liebt dieses Ungeheuer!«
Seine Stimme troff dabei so von Verachtung, daß Jenny wie von der Tarantel gestochen herumfuhr und es für einen Moment so aussah, als wolle sie sich auf ihn stürzen.
»Wollen Sie es bestreiten?« fragte Howard kühl.
Ich drehte mich wütend herum. »Howard, zum Teufel, was soll das?« schnappte ich.
Ich bekam keine Antwort, aber das zornige Funkeln in Howards Augen
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