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Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan

Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan

Titel: Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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verstärkte sich weiter. Einen Moment lang erwiderte ich seinen Blick, dann drehte ich mich wieder zu Jennifer um und versuchte zu lächeln. Ganz gelang es mir nicht
    »Ist es wahr?« fragte ich. »Lieben Sie Dagon?«
    Das Mädchen schürzte wütend die Lippen. »Und wenn?« fragte sie.
    »Wenn«, antwortete ich, sehr leise und in aufrichtig bedauerndem Ton, »kann ich Ihnen nicht helfen, Jenny. Das müssen Sie einsehen. Dagon ist unser Feind, und nicht nur unserer.«
    »Ach?« fragte Jennifer. »Ist er das?«
    Ich stutzte. Ihre Worte waren genau in dem Ton vorgebracht, in dem ein störrisches Kind reden mochte, das ausprobierte, wie weit es gehen kann. Und trotzdem ließ mich etwas darin aufhorchen. »Wie meinen Sie das?« fragte ich.
    In Jennifers Augen blitzte es. »Warum kommen Sie nicht mit mir und fragen ihn selbst?« sagte sie.
    Ich wollte antworten, aber ich konnte es nicht. Jennifer haßte mich, das war mir klar, im gleichen Moment, in dem ich in ihre Augen sah. Sie haßte Howard, Nemo, mich – überhaupt jeden hier, denn in den letzten Augenblicken hatte sie vermutlich die größte Enttäuschung ihres Lebens erlebt. Ich wußte noch immer nicht genau, was Howard und sie vereinbart hatten – aber es schien, als hätte sie ihren Teil dieses sonderbaren Handels eingehalten. Wenn Howard jetzt die Vereinbarung brach, dann mußte ihr dies wie Betrug vorkommen. Genaugenommen war es das wohl auch. Und genaugenommen konnte ich es nicht gutheißen, ganz gleich, aus welchen Gründen heraus Howard und Nemo handeln mochten. Auch ein Betrug an einem Feind bleibt ein Betrug, egal wie man es dreht und wendet.
    Aber da war noch mehr. Über diese Tatsache hinaus konnte ich Jennifer nur zu gut verstehen. Ich wußte aus eigener schmerzlicher Erfahrung, wie eng Liebe und Leid miteinander verbunden sind. Auch ich hatte eine Enttäuschung erlebt, die ich selbst jetzt, nach mehr als zwei Jahren, noch nicht vollends verwunden hatte.
    Schließlich senkte ich den Blick, starrte einen Moment zu Boden und wandte mich dann wieder an Howard. »Du bleibst dabei?«
    »Die NAUTILUS wird sich keinen Fuß von der Stelle rühren«, sagte Howard hart – und in einem Ton, der mich davon abhielt, noch einmal zu fragen.
    »Gut«, antwortete ich. »Dann werde ich zusammen mit Jenny gehen.«
    Howard keuchte. »Du willst –«
    »Morgen früh«, fuhr ich fort, mit ganz leicht erhobener Stimme. »Nur wir zwei. Alles, was ich brauche, sind frische Kleider und ein Gewehr. Und vierundzwanzig Stunden Zeit. Habe ich die?«
    Howard antwortete nicht sofort, sondern tauschte einen fragenden Blick mit Nemo. Der Kapitän der NAUTILUS nickte beinahe unmerklich.
    »Gut«, sagte Howard. Seine Stimme klang seltsam. Zorn war darin, aber auch noch etwas anderes, das ich nicht zu benennen vermochte. »Vierundzwanzig Stunden. Keine Minute länger, Robert. Übermorgen bei Sonnenaufgang stechen wir in See, ob du an Bord bist oder nicht. Wenn wir bleiben, ist es unser aller Tod.«

    * * *

    Er wartete.
    Unsichtbar und lautlos wie einst auf der DAGON verfolgte er, was sich auf der winzigen Insel tief unter ihm abspielte. Er war ein Gigant, der hoch über den Wolken schwebte, so mühelos, wie er die Weiten des Weltalls durchschritten und die Barrieren der Zeit überwunden hatte. So etwas wie Ungeduld kannte er nicht. Und trotzdem verspürte er eine sonderbare Erregung.
    Der Moment der Entscheidung war nahe. Nicht der endgültigen Entscheidung, natürlich. Der Krieg, in dem selbst er nur ein winziges, unbedeutendes Werkzeug war, währte seit Erschaffung des Kosmos und würde dauern, solange das Universum bestand, und obwohl ihn beide Seiten mit verbissener Wut führten, wußten sie gleichzeitig, daß niemals die eine oder andere wirklich und endgültig siegen konnte.
    Und trotzdem stand die Entscheidung dicht bevor. Die Entscheidung über das Schicksal der winzigen Kreaturen, die tief unter ihm lebten und glaubten, die Herren ihrer Welt zu sein, die sie in Wirklichkeit nur geliehen bekommen hatten. Die Entscheidung über das Schicksal eines Gottes, der nicht begriffen hatte, daß er unter den Mächtigen nur ein Zwerg war. Die Entscheidung über das Schicksal jener verlorenen kleinen Insel.
    Und vielleicht über das dieser ganzen Welt...

    * * *

    Über dem Strand lag das Schweigen des Todes. Die Luft war still, beinahe unbewegt, und selbst das monotone Rauschen und Wispern der Brandung klang wie von weit, weit her, obwohl die Wellen nur wenige Handbreit hinter den Füßen

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